Sind „social media“ antisozial?

2016-05-08_kakanien_social_media

Heute ist ein guter Tag!

Wer immer den „neuen Medien“ den Begriff „sozial“ zuordnete, hat wohl nicht mit der drohenden Entwicklung zum
Inzucht-Verein gerechnet.

Einerseits: War das vorhersehbar?

Andererseits: Ist das nicht super?

 

 

Demokratische soziale Medien! Oder?

Das Internet galt einst als Inbegriff von Demokratie und die sozialen Medien (social media) als seine wirksamen Vertreter. Unternehmerische und staatliche Zensur konnte umgangen werden, allen Menschen standen nun alle Informationen zur Verfügung.

Der Freiheit war eine Gasse, was sage ich: eine (Daten)Autobahn geschlagen!

Besonders freuten sich über diese Demokratisierung Menschen wie Mark Zuckerberg, dessen Vermögen auf 45 Milliarden geschätzt wird.
Aber es geht hier nicht um irgendwelche Neidkomplexe, schließlich hat der Mann nun jede Menge Probleme mit Leibwächtern und dem ganzen Zeugs, das die Leiden der jungen Reichen ausmacht.

 

Lest keine Zeitungen!

„Lest morgen keine Zeitungen, sondern schaut auf unsere Facebook-Seiten!“

Spätestens als die derzeitige Führerin der AfD ihre Mitglieder mit dieser Forderung entließ, verdichteten sich die Zweifel an den „sozialen“ Medien zur Gewissheit:
Wieder nix mit Demokratisierung einer Gesellschaft durch ein technisches Medium.

Das war schon bei Film, Radio und Fernsehen schief gegangen. Die Hoffnungen zu Zeiten ihrer Erfindung waren ja riesengroß, manche Politiker und Pädagogen prophezeiten gar einen derartigen Bildungssprung in den verschiedenen Völkern, dass sie in Zukunft einander nicht bekriegen, sondern sachlich die Konflikte besprechen und lösen würden.

Hat nicht wirklich funktioniert, das sehen wir täglich in den Nachrichten. Auch die neuen Internet-Dienste tragen so wenig zum Demokratieverständnis bei, dass ein bekannter Vertreter der Piratenpartei 2013 sich verabschiedete:
„Twitter ist für mich gestorben“, teilte er in der FAZ mit.
„Jeden Tag aufstehen und mindestens einen doofen Kommentar, eine Beleidigung lesen. Seit ich Abgeordneter bin, habe ich mehr als 500 Personen auf Twitter geblockt.“

Wie jetzt?
Ich dachte, dieses Medium ist ein soziales!
Und jetzt muss der arme Mann andere blockieren?

 

Fremde(s) raus!

So lautet bekanntlich die Forderung von rechten Politikerinnen und Politikern. Eine ziemlich beschränkte Weltsicht, die sich wie ein Virus ausbreitet.

Neulich las ich in einem Twitter-Beitrag – ja, ich verwende dieses Medium! –, dass vor einer Wiener Konditorei angeblich ein Schild steht, das Hofer-Wähler zum Weitergehen aufforderte.
(Für Menschen draußen in der kleinen nicht-österreichischen Welt: Hofer ist Kandidat der FPÖ für das Amt des Bundespräsidenten.)

Eine Art Zaun also gegen Menschen, die zu einer demokratischen Wahl gegangen sind? Überzeugungsarbeit sieht anders aus.

Oder glaubt jemand, dass durch diese Aufforderung nun viele den anderen Kandidaten wählen? Abgesehen davon, dass raffinierte Hofer-Wähler sich dennoch in das Geschäft schleichen werden und einfach nicht sagen, dass sie den Mann gewählt haben!

Wäre eine Einladung an die Hofer-Wähler nicht sinnvoller?
Um mit ihnen sachlich zu diskutieren?
Etwa darüber, dass der Kandidat einer Partei, deren ehemaliger Obmann Österreich als „ideologische Missgeburt“ bezeichnete, kein guter Repräsentant des Landes sein kann?

Ich fürchte, es geht in den sozialen Medien nur mehr selten um Argumente, sondern hauptsächlich um die wohltuende Befreiung von einem inneren Druck.
Endlich die innere Sau rauslassen dürfen!

Am besten in Gruppen, in denen alle einer Meinung sind.
Das dient zwar nicht dem Fortschritt, aber es verschafft dieses herrliche Gefühl von:
„Wir haben recht“.

 

Ganz unter uns

Solche Treffen erinnern doch an die gemütlichen Kaffeekränzchen früherer Zeiten!

Man traf sich, um miteinander zu plaudern – und nicht um zu streiten.
Man regte sich auf über die bösen Nachbarn. Das waren im Prinzip alle, die gerade nicht anwesend waren.
Man ging zufrieden auseinander und drehte abends – in Anlehnung an Gottfried Benn – der Welt den Hintern zu.

Das hat doch was für sich!

Niemand widerspricht, alle sind – meistens – einer Meinung und alle sind’s zufrieden.

In diesem Sinn:
Ich bleibe Anhänger der „social media“ – zumindest in meinen Gruppen.

 

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