Meine ALF (Aller Liebste Frau) widmet sich in letzter Zeit den letzten Fragen der Menschheit.
Etwa: Wie stricke ich eine kurze Hose für den Weihnachtsmann.
Oder: Welches Geweih passt meinem Elch am besten?
Die Zeiten ändern sich
Als ich meine ALF kennenlernte, war sie eine durchaus selbständige Frau. Sie interessierte sich für Politik, las Bücher über den sozialen Wohnbau Wiens in der Zwischenkriegszeit und die jüdischen Intellektuellen.
In letzter Zeit allerdings bereitet sie mir Sorgen.
Wenn zum Beispiel einer unserer Politiker im Fernsehen zu sehen ist und auf Fragen antwortet, die niemand gestellt hat, dreht sie sofort ab oder verlässt demonstrativ den Raum.
Das wäre ja noch einigermaßen verständlich, aber es kommt noch schlimmer: Sie strickt!
Und häkelt!
Wenn ich mich vor Wut bebend vor dem Fernseher mit der katastrophalen Weltpolitik auseinandersetze, klappern neben mir Stricknadeln.
Wie soll sich die Welt ändern, wenn Frauen, also mehr als die Hälfte der Menschheit, plötzlich zu stricken beginnen?
Meine ALF ist nämlich nicht der einzige Fall von Biederfrau, auch L. (Name ist dem Autor bekannt) bekennt sich plötzlich zu dieser Tätigkeit. Sie behauptet, das Anschlagen von Maschen entspanne sie!
W., ihr Mann, ist ebenso verzweifelt wie ich. Wozu haben wir für die weibliche Emanzipation gekämpft, wenn unsere Frauen nun Socken stricken und Hauberln für den Winter häkeln?
Seit die beiden Frauen bemerkt haben, dass sie ein gemeinsames Hobby haben, bilden sie bei unseren Treffen eine Art post-revolutionäre Frauengruppe. Sie tauschen Erfahrungen über Garnstärke und die Vorteile von Merinowolle gegenüber Alpakawolle aus.
Kein Wunder, dass W. und ich aus Notwehr eine Männergruppe gegründet haben und uns resigniert in die Küche zurückziehen. Dort widmen wir uns den Ergebnissen der letzten Weinernte und diskutieren die Rezepte des Abends.
Wussten Sie zum Beispiel, dass eine Ente, die mit 80 Grad elf Stunden lang gebraten wird, köstlich schmeckt?
Deshalb werden W. und ich kommendes Wochenende einen biologisch-dynamischen Bauernhof aufsuchen, während unsere Frauen zu Hause stricken und häkeln.
Und danach wird gekocht, was der Herd hergibt. Irgendwie müssen wir uns wehren gegen den weiblichen Rückzug ins traute Heim!