Literarische Kostprobe – Ich als Model

Graffiti in Berlin

Ich als Model

Mein Buch
Als mein Ich verschwand
wird gerade gedruckt.

Ich freue mich auf den Augenblick, das erste Exemplar in der Hand zu halten.

Hier die erste Seite der nächsten Geschichte: Ich als Model.

 

Ich als Model

Schade, dass ich das dem Bertl nicht mehr erzählen kann. Obwohl. Ich glaub‘, er hätt‘ mir eine runterg‘haut. Eigentlich war er ja nicht gewalttätig. Nur wenn er besoffen war. Zum Glück war er da meistens im Wirtshaus. Daheim musste ich dann sein geschwollenes Gesicht versorgen, weil er sich mit einem seiner Freunde geprügelt hat. Männer! Ein komisches Geschlecht.

Ich bin jetzt ein Fotomodell. Also Model, wie man heute sagt. Ist aber eh das Gleiche. In meinem Alter! Knapp vor der Pension ein Zusatzeinkommen. Hätt‘ ich mir nicht träumen lassen. Und das alles, weil der schwule Fotograf am Graben aufs Klo gegangen ist.

Seit Jahrzehnten arbeite ich dort als Klofrau – und dann entdeckt der mich für die Werbung. Jetzt steh ich da neben dem Mäderl mit den g‘schwollenen Lippen und schau wichtig in die Kamera. Ein komischer Beruf ist das. Und dafür krieg ich noch jede Menge Geld!

Das hätten der Bertl und ich früher gut brauchen können. Seit Jahren wollten wir weg aus der Gemeindewohnung in Kaisermühlen. Man kommt sich sowas von verloren vor zwischen all den Türken. Ohne Kopftuch giltst bei denen schon als Pornostar.

Verstehn tust auch niemand.

Und dann noch das dauernde Grillen! Der Bertl hat ja auch diesen Kopfschuss gehabt. Kaum war Sommer, schon hat er den Griller aus dem Keller geholt. Ich mag das angebrannte Fleisch sowieso nicht. Aber das war dem Bertl wurscht. Im wahrsten Sinn des Wortes.

„Sommerzeit ist Grillenzeit!“ Kaum haben die Märzenbecher aus dem Boden g’schaut, hat er schon seinen jährlichen Standardwitz ausgerufen. Und dann nix wie hin zum Baumarkt, alles einkaufen, was ein Mann so braucht, damit er sich als Held am Lagerfeuer fühlen kann.