Wissen schaffen?

Wissenschaft? Geh bitte!

Wissenschaft? Geh bitte! Wer braucht des scho!

Das scheint kein Ziel der Bewohner der Republik Österreich zu sein. Hier dominieren das Bauchgefühl, die Astrologie und die Ignoranz.

Das Eurobarometer bestätigt, was Beobachter des Landes ahnten.

 

 

 

Brauch ma net

2014 gab es eine Umfrage in Europa, wie Wissenschaften und Forschung öffentlich wahrgenommen werden. Das Ergebnis war erschütternd, aber 2016 schöpften Wissenschafter Hoffnung, der Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaft ortete gar ein stetig wachsendes Interesse an sogenannten ‚Wissenschafts-Events‘.

„Es ist wieder cool, viel zu wissen“, freute sich auch Biologin Schroeder.

Noch cooler scheint allerdings die Freude, nichts zu wissen. Ich fürchte, die Anhänger dieser These wollen damit nicht an Sokrates erinnern.

Die Medienwissenschafterin Maren Beaufort vom ‚Institute for Comparative Media and Communication Research der ÖAW und der Alpen-Adria-Universität (AAU)‘ – welch einprägsamer Name – erklärte 2014 in verständlicher Form, wie das Interesse an Wissenschaft noch mehr gesteigert werden kann:

„Unsere Studien der letzten Jahre haben gezeigt, dass weder die Erwartung, top-down informiert zu werden, noch jene, bottom-up Einfluss auf die Forschung zu nehmen, das Interesse an Wissenschaft nennenswert beeinflussen können. Ausschließlich die Erwartungshaltung einer partizipativen Kommunikation auf Augenhöhe kann das Interesse sprunghaft erhöhen.“

Das Ergebnis sieht 2021 in einer Umfrage der EU so aus:
Dass Grundlagenforschung unterstützt werden soll, finden 82% der Schweden und 48% der Österreicher. Wir landen damit auf dem letzten Platz der EU.

Den erringen wir auch, was die Skepsis bei der Genforschung anlangt: Da lassen wir sogar Rumänien und Kroatien hinter uns. Portugal hat hier, wie bei vielen anderen Kategorien, den meisten Optimismus. Kurioserweise existiert in Österreich eines der bedeutendsten Zentren für genetische Forschung! Ich hoffe, die Querdenker erfahren das nicht, sonst gibt es weitere Demos.

Ein weiterer Misserfolg gelingt beim Vertrauen, das die Wissenschaft in Österreich genießt: Nur 47% der Bevölkerung halten sie für vertrauenswürdig. In Ländern wie Schweden, Portugal, Dänemark, Italien oder Finnland sind es über 75%.

Logischerweise sind auch über 50% der Meinung, dass man im täglichen Leben nichts über Wissenschaft wissen muss, ein Tee aus Heilkräutern hilft wahrscheinlich besser im Kampf des täglichen Lebens. Oder auch der ‚gesunde Menschenverstand‘, den ein Viertel des Volkes für wichtiger hält als wissenschaftliche Ergebnisse. Darum gibt es auch jeden Montag in der ORF-Sendung Guten Morgen Österreich ein Horoskop für die kommende Woche.

71% der Republikbewohner meinen übrigens, dass das Interesse der jungen Bevölkerung für Wissenschaften dem Gemeinwohl des Landes nichts nützt. Wichtiger ist der Betrieb von Liftanlagen und Personal für die Gastronomie, damit viele Gäste kommen.

Bildung hilft?

Nicht bei uns. Wir haben ein Bildungssystem, das seit Jahrhunderten existiert und nur einmal durch das rote Wien kurz unterbrochen wurde. Mögen andere Länder die Gesamtschule eingeführt, die Ausbildung des Lehrer verbessert, die Qualität des Unterrichts gehoben haben: Du, glückliches Österreich, bleibe festgemauert in der Erde!

Darum gibt es hierzulande so viele Demonstrationen gegen gesundheitliche Verbesserungen wie in kaum einem anderen Land. Wir sind nämlich immun.
Vor allem gegen Wissen.

PS: Dieses Mal verwende ich die männliche Schreibweise für alle sexuellen Geschlechter, bei der nächsten Kolumne erfahren Sie von dem wunderbaren Vorschlag für eine lyrische Schreibweise, die meines Wissens nach auf Phettberg zurückgeht.
Mehr dann in 14 Tagen
Ihr/euer
Erich Ledersberger