Tiroler Milch und Instinkte

Empörte Kuh

Empörte Kuh

Die Tiroler sind bekanntlich lustig, die Tiroler sind froh;
sie trinken ein Gläschen und machen’s dann so:
Ru di ru di ral lal la, ra lal la, ral lal la,
Ru di ru di ra la la, ral la la, la.
Die Tiroler sind lustig,
die Tiroler sind froh;
sie verkaufen ihr Bettchen
und schlafen auf Stroh.

 

Schluss mit lustig!

Das Lied aus dem Singspiel „Der Tiroler Wasti“, das 1795 in Wien uraufgeführt wurde, entspricht nicht der derzeitigen Gefühlslage der Tiroler Bauern. Es sind immer hin drei Prozent der Bevölkerung, die durch einen Werbespot der Tirol Werbung aufs niedrigste beleidigt wurden. Noch dazu von die eigenen Leit, Nestbeschmutzung also, das übelste aller Verbrechen.

Was war geschehen?

Ein Werbevideo zeigt einen Krampus, der durch eine Schneelandschaft staubt – ziemlich irreal heutzutage, aber bitte, das dient dem Tourismus. Aber dann tritt das Gespenst in eine Almhütte, spricht mit einer weiblichen (!) Stimme, die Wirtin spricht ihn/sie mit Sven (!!) an und sie/er bestellt einen Latte Macchiato mit HAFERMILCH. Also ein fremdländisches Getränk ohne Tiroler Milch!

Der Landwirtschaftskammerpräsident – langer, aber ehrenvoller Titel – Hechenberger ist im Namen der Bauern empört. Die tägliche Arbeit der Bauern werde entehrt und nicht respektiert.

„Mit Hafermilch werde einfach ein Lebensmittel, das ich nicht werten will, in den Vordergrund gestellt …, was wir aber nicht haben in Tirol, das importiert wird und das in keinster Weise die Grundlage für den Tourismus liefert.“ Er ist extrem schockiert.

Das zeigte Wirkung! Der Spot ist zwar schon drei Jahre alt, was der Reaktionsfähigkeit des Präsidenten ein schlechtes Zeugnis ausstellt, aber jetzt ist alles klar: Die Kampagne wird sofort abgebrochen, man werde in Zukunft sensibel mit dem Thema Hafermilch umgehen, buckelte der Marketing-Leiter Patricio Hetfleisch.

In einem Interview erklärt er seine Motivation, verweist aber widerspenstig darauf, dass Hafer seit der Römerzeit in Tirol Grundlage bäuerlicher Ernährung ist. Er trinke selbst ab und zu Hafermilch zum Kaffee, meistens aber Milch, und dann „aber natürlich eine Tirol-Milch oder die Zillertal-Milch“.

Damit hat er bewiesen, dass er ein ganz braver Tiroler ist und so will ihm möglicherweise sogar der Landwirtschaftskammerpräsident verzeihen, der immerhin beinahe die Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung vertritt.

Ich vermute, aus Sven wird Anton und aus der Hafermilch klarerweise echte Tiroler Milch.

Immerhin ist Tirol kulturell auf dem richtigen Weg. Ein Schauspieler namens Bloeb, Bruder des bekannten Tobias Moretti, wurde als Zweitgereihter – die Erstgereihte war nur eine Frau – Intendant von Telfs und richtet die Zukunft der Telfer Volksschauspiele gleich in Richtung Tirol Milch: Er will keine Woke (waches Bewusstsein) in seinem Theater, sondern Naturinstinkte.

Instinkte habe nämlich jeder, Bewusstsein nur wenige.

Er möchte in Zukunft „Normalbürger“ ansprechen, etwa mit einem Konzert des Wiener Rappers Yung Hurn, der immer an die Instinkte appelliert.

Im Moment sei alles „eigentlich Arsch“ und seine Familie – Frau Nina ist auch Schauspielerin – wolle er nur einbinden, wenn sie anfrage. Ob per Chat oder Brief, sei ihm egal, er setze auf Qualität. Oder so.

International bekannte Autoren wie Hubert Sauper, David Schalko, Lisa Wentz, Helena Adler, Uli Brée, Calle Fuhr und Felix Mitterer machen begeistert mit. Instinkte sind super, Bewusstsein für den. Na, Sie wissen schon.

Instinkte sind jedenfalls menschlich. Es ist ein Verhalten, das sich durch angeborenes Reiz-Reaktion-Schema beschreiben lässt, also eine Verhaltensweise ohne Selbstreflexion. Bei Tieren weitgehend angeboren, bei Menschen irgendwie angeboren oder teilweise nicht.
Mit anderen Worten: Alles unklar. Konrad Lorenz meint, „Instinkt ist ein Wort, nichts sonst, und der Versuch ‚den Instinkt‘ zu definieren, dreht nur zu oft im Zirkel: Die Taube hat einen Heimkehrinstinkt, weil sie nachhause fliegt, sie fliegt nachhause, weil sie einen Heimkehrinstinkt hat.“

Herr Bloeb, ein Schauspieler mit messerscharfem Geist, will also ein Theater für Instinkte machen. Ich vermute, er kennt Konrad Lorenz nur vom Namen her. Wenn überhaupt.

In diesem Sinn:
Meine Frage einer der letzten Kolumnen, wie es möglich ist, dass nahezu ausschließlich Menschen, formulieren wir es diplomatisch, dieser seltsamen Art in leitende Positionen kommen ist damit nicht beantwortet. Leider.

Mehr dazu hoffentlich demnächst.

Eine schöne zweite Adventwoche wünscht allen
Erich Ledersberger