Das Weihnachtsgeschäft entscheidet bekanntlich über unsere Arbeitsplätze und das Wirtschaftswachstum. Was also tun?
Die Kaufhaus-Inszenierung
Die Werbebranche ist bekannt für große Sprüche, man denke nur an die „Nachricht“, dass wir nicht Seifen, sondern Gefühle kaufen. Das klingt auf den ersten Blick befremdlich, beschleunigt aber angeblich den Absatz.
Oder, wie ein Werbefuzzi postuliert: Wenn die Käufer nicht wissen, warum sie ein Produkt kaufen, dann war Werbung erfolgreich.
Aber wie verdrängt man das Bewusstsein ins Unbewusste, um Sigmund Freud aus markttechnischen Gründen umzukehren?
Ganz einfach, findet Christian Mikunda, laut Wiener Zeitung „ein Meister des inszenierten Shopping-Erlebnisses“, kurzum ein „Dramaturgie-Guru“.
Transferorte für die Herzen
Manchmal ist das Herz — heutzutage meist mit Gefühl assoziiert — ja im Arsch, um es umgangssprachlich auszudrücken. Die Welt geht einem unsäglich auf die Nerven, Feiern stehen vor der Tür, alle kriegen sich vor Harmonie kaum ein — und sind froh, wenn alles vorbei ist.
Kaufunlust ergreift die Menschen. Alle haben ja schon fast alles, welchen Unsinn muss ich auftreiben, damit Onkel Hans und Tante Gerti vor gespielter Überraschung umfallen? Und die danach Zettel mit Namen auf die Gegenstände schreiben, damit sie beim nächsten Besuch der Schenkenden rechtzeitig wieder aus dem Keller geholt werden können.
Menschen sehnen sich meistens nach Ruhe und wollen etwa mehr Zeit statt mehr Konsum. Das ist ein wirtschaftlich äußerst schädliches Verhalten, daher schlägt jetzt die Stunde der großen Manipulierer, etwa des Begründers der „Strategischen Dramaturgie“. Nein, es handelt sich dabei nicht um eine tolle Theateraufführung, sondern um Inszenierungen im Kapitalismus, einem weit verbreiteten System der Bereicherung auf Kosten anderer.
Vom Sterben
Dass Menschen sterben, ist unangenehm, aber wirtschaftlich schlimmer ist der Tod von Shopping-Centers (= Schopping Ssenta). Die haben große Probleme mit der Internet-Konkurrenz, also Amazon, Zalando und Co.
Was tun?
Kaufen als Erlebnis verkaufen!
Nachdem das Shopping-Center sogar für Analphabeten ein bekannter Begriff war, erfand man die Mall (= Mohll) und verwandelte hässliche Gebäude, in denen man ohne Regenschirm einkaufen kann, mit Hilfe von Architekten in Wohnzimmer.
Der Konsument fühlt sich wie zu Hause, nur ist es hier gemütlicher.
Er wandert von Zimmer zu Zimmer (= von Geschäft zu Geschäft) und freut sich seines Lebens.
Das ist gefährlich!
„Durch die emotionalen Angebote, … durch die Musik und so weiter, verfällt der Kunde in eine Art Halbtrance. Die Augen werden glasig, das Kiefer entspannt sich, das Kinn fällt runter, … die Menschen haben keine Ahnung mehr, warum sie da sind.“
Und gehen womöglich ohne Einkäufe heim ins ungemütliche Heim!
Jetzt heißt es handeln!
„Diese leicht hypnotisierten Konsumenten müssen wieder auf das Wesentliche fokussiert werden. Und das erreicht man mit der kognitiven Landkarte.“
Alles ganz einfach, also easy (= isi).
Das Shopping-Center, also die Mall, also der Entertainment-Markt (= Entate-inment-Markt) oder wie immer das Ding heißen mag, muss als „third place“ (= söad ple-is) etabliert werden. Selbstverständlich mit einer „Concept Line“ (= konsept lain), noch besser um „Core Attraction“ (= Kor í„träkschn) erweitert.
Sie haben nichts verstanden?
Die Chill-Toilette (= Tschill Toalette)
Dann nochmals in einfachen Wörtern:
„Wenn ich einen Auftrag übernehme, gehe ich zuallererst einmal aufs Klo und den Gang des Objektes. Wenn diese beiden Elemente stimmen, … dann können sie neue Kraft schöpfen. Sie fühlen sich als Individuen, sie werden runtergechillt.“
Gemeint sind die Konsumenten, die jetzt danach das tun, wozu sie auf der Welt sind: kaufen.
Das Recyclen (= Riseikln), um das große Geschäft sprachlich und ökologisch korrekt auszudrücken, muss an einem entspannenden Ort stattfinden, in dem man während des Entleerens von Darm und Blase Platz macht für neue Waren.
Darum empfiehlt der Werbe-Guru „Chill-Toiletten“ in allen Malls. Entspannen Sie sich, entleeren Sie sich von allem Ballast und kommen Sie erleichtert zurück in die schöne Warenwelt.
Sie halten das für Unsinn?
Gut möglich.
Aber denken Sie nicht über diesen Text nach — kaufen Sie einfach!
Zum Beispiel das Buch „Ich bin so viele“.
Je mehr, desto besser für das (und mein) Wirtschaftswachstum.