Meine ALF und die Reinkarnation

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Finde den schwarzen Punkt!

An sich bin ich kein Freund von esoterischen Thesen. Ich glaube nicht an Wiedergeburt, sogar der Homöopathie und der Jungfräulichkeit Marias stehe ich skeptisch gegenüber.

Aber manchmal glaube ich, dass meine ALF die Reinkarnation eines Lichtmikroskops ist.

 

 

„Du hast da was!“

Das ist einer der gefürchtetsten Sätze bei Kindern – irgendwo ist irgendein Makel. Kinder beginnen daraufhin hektisch an ihren T-Shirts zu fummeln, finden nichts von Bedeutung.

„Nicht da. Dort!“, ruft dann ein Elternteil – meist ist es die Mutter – und wischt endlich einen geringfügigen Teil des Essens oder Trinkens von der Kleidung.

Später, endlich erwachsen geworden, vermeidet man das Bebröseln der eigenen Kleidung, schließlich stören selbst Brokkoliteilchen auf der Krawatte banale Gespräche, von Geschäftsabschlüssen oder Flirtversuchen ganz zu schweigen.

Leider haben manche Menschen ein für den ganz normalen Alltag zu scharfes Auge, zum Beispiel meine ALF (= AllerLiebsteFrau). Es gibt Momente, da halte ich sie für die Wiedergeburt eines Lichtmikroskops, immer dann wenn dieser Satz fällt:
„Du hast da was.“

„Wo?“, frage ich dann ruhig und bewege mich nicht. Ich weiß, es ist sinnlos an mir herumzusuchen. Irgendwo hat sich ein Bröselchen verirrt, das niemand sieht – außer meiner ALF. Früher habe ich noch versucht, dieses Etwas eigenständig zu finden. Allmählich habe ich begriffen, dass man nicht finden kann, was man selbst nicht sieht.

„Auf deinem Finger. Nein, rechts, nicht links. Am Zeigefinger!“

Ah! Jetzt sehe ich es auch. Es handelt sich meistens um einen hautfarbenen Kräutersamen oder im Extremfall um ein einsames Mohnkorn, das sich links oben, zwischen den Zähnen 13 und 14 festgesetzt hat. (Wir halten uns zum Auffinden des exakten Fundortes an die übliche Lagebzeichnung, wie Zahnärzte sie verwenden.)

 

Im Gasthaus

Kein Wunder, dass wir gefürchtete Gäste in Lokalen sind. Kaum steht ein Glas auf dem Tisch, schon hält meine ALF es gegen das Licht.

„Da!“, sagt sie und zeigt auf den Rand.

„Ja?“, frage ich und versuche, etwas zu erkennen.

„Siehst du nicht den Lippenabdruck?“

Ich nehme an, dass jede Spurensicherung – allen Krimifans als SPUSI bekannt – sie sofort als Mitarbeiterin engagieren würde.

Nur die Kellner freuen sich nicht so recht, wenn sie das gerügte Glas in der Hand halten und es intensiv betrachten, bevor sie schulterzuckend in den Schankraum eilen. Meine ALF hat nämlich eine ruhige Autorität, die Widerspruch nur selten zuläßt.

Wenn der Kellner mit einem sauberen Glas zurückkehrt, lobt ihn meine ALF über den grünen Klee, schließlich ist sie im pädagogischen Bereich tätig und eine Anhängerin der Motivationssteigerung durch positives Feedback – oder wie das heißt.

 

Think positive!

Für mich erweist sich der kriminalistische Blick meiner ALF übrigens als Glücksfall, ich muss nämlich nicht mehr zur jährlichen Untersuchung zur Hautärztin. Sie hat, als ich einmal auf ein mit dem Auge gerade noch erkennbares Muttermal gezeigt habe, das sich um etwa ein Hundertstel Millimeter vergrößert hat, gemeint:

„Ich glaube, Sie brauchen keine Vorsorgeuntersuchung bei mir. Sie haben ohnehin ein Lichtmikroskop zu Hause. Kommen Sie einfach, wenn Ihnen wieder etwas auffällt.“

 

 

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