Am 30. Juni 2023 wollte ich ein Exemplar der „Wiener Zeitung“ kaufen. Alles ausverkauft! Leider etwas zu spät fürs Überleben der ältesten Tageszeitung der Welt.
In der Nazizeit verboten, danach wieder auferstanden, der Todesstoß wurde ihr von einer schwarz-grünen Regierung versetzt.
Von Rindern und Zeitungen
Die #WZ war eine seriöse Qualitätszeitung. Dass manche sie für „links“ hielten, sagt mehr über den Zustand der Menschen hier aus als über den Inhalt der #WZ.
Sie war für mich immer eine Quelle interessanter Informationen. Die Themen waren spannend, gut geschrieben und wurden von keinen anderen (österreichischen) Medien beachtet.
Dass ausgerechnet eine Zeitung, die nur deshalb erschien, weil sie staatlich nahezu zur Gänze finanziert wurde, zu den kritischsten Zeitungen des Landes gehört, mag Ausländern seltsam erscheinen.
Aber Österreich ist bekanntlich anders. Hier sind oftmals Beamte die schärfsten Kritiker der Gesellschaft. Ich erinnere etwa an Grillparzer, der in Bezug auf die Familie Habsburger meinte:
„Und ruhig auf Trottel den Ersten, wie Butter, folgte Trottel der Zweite.“
Der pragmatisierte Dichter und Hofrat schrieb nach seinem Rückzug aus der Öffentlichkeit Epigramme, Novellen und Gedichte. Den Misserfolg seines Stückes „Weh dem, der lügt“ konnte er nicht verwinden, er verbat sich weitere Aufführungen aller seiner Stücke.
In seinem Testament ordnete er die Vernichtung seiner Stücke „Ein Bruderzwist in Habsburg“, „Die Jüdin von Toledo“ und „Libussa“ an. Von nun an grantelte er privat weiter und schrieb kritische Texte, die den heutigen Zustand der Republik bestätigen.
„Niederösterreichisch
Der Minister des Äußern
kann sich nicht äußern;
der Minister des Innern
ist schwach im Erinnern,
der Kriegsminister
trägt Szepter und Kron´ im Tornister,
der Minister der Finanzen
muß nach jedes Pfeife tanzen,
der Minister des Handels
ist unsichtbaren Wandels,
der Minister der Justiz
hat nicht Stimme, nur Sitz,
der Minister des Kultus
ändert Kultus in stultus
der Chef der Polizei
schüttelt den Kopf dabei.“
[stultus = töricht, einfältig]
Über die Bewohner Österreichs hatte er auch keine gute Meinung.
„Alpenszene
Hoch auf den höchsten Höhen
Gedeiht am besten das Rindvieh,
Da wohnen die seligen Trotteln
Dem Himmel etwa am nächsten,
Doch freilich am fernsten der Erde.
Sie scheren geduldige Schafe,
Sie melken die strotzenden Kühe,
Sie leben vom Fette der Herden,
In Form der Köpfe die Kröpfe.
Sie falten die Hände voll Andacht,
Bekreuzen hohltönende Stirnen.
Was unten geschieht in den Tälern,
Stört nicht ihre selige Ruhe.“
Das Rindvieh im Tale fühlte sich allerdings gestört durch die #WZ. Und so stampften sie das ungeliebte Medium ein, schwarzes und grünes Vieh in trauter Gemeinsamkeit, quasi Fleckvieh in heimatlicher Qualität. Darum wurden ein paar kompetente Journalistinnen und Journalisten entlassen, die nicht zur Journaille gehören.
Österreich, wie es leibt und bebt.
Eine schöne Woche wünscht allen
Ihr/euer
Erich Ledersberger