Innsbruck im Wahlfieber – Teil 2

Wahlen sind in der Demokratie — vor allem in der österreichischen Sonderform — für Parteien ein notwendiges Übel. Damit die Menschen es als solches erkennen, gibt es hierzulande nicht nur Nationalratswahlen (für das ganze kleine Land) und Landtagswahlen (für die kleineren Bundesländer), sondern auch Gemeinderatswahlen (für die noch kleineren Gemeinden), so genannte Bonsai-Wahlen.

Demnächst findet eine solche Wahl in Innsbruck statt und wenn auch niemand genau weiß, was, wer und warum da gewählt wird: Der Demokratie ist Genüge getan — meinen zumindest die Politiker und Politikerinnen. Auch PolitikerInnen oder Politiker/innen genannt. (Österreich ist nämlich führend auf dem Gebiet der formalen Gleichberechtigung! Das hilft ein wenig darüber hinweg, dass Frauen hierzulande weit weniger verdienen als Männer. Und zwar so viel weniger, dass wir im EU-Vergleich an vorletzter Stelle gelandet sind. Hinter uns liegt nur noch Estland.)

Die weibliche Form ist angebracht, da Innsbruck seit Jahren eine BürgermeisterIN hat und viele Herausforderinnen. Eine neue, gar weibliche Politik ist bisher noch von niemandem bemerkt worden. Damit ist einerseits bewiesen, dass der Unterschied zwischen den Geschlechtern ein marginaler ist und andererseits das Stimmvolk sich dem Wesentlichen widmen kann, nämlich den politischen Inhalten. Genauer gesagt, es KÖNNTE sich den Inhalten widmen, so es sie denn gibt. Leider muss nach einer Analyse der ersten Plakate festgestellt werden: Alles bleibt vorläufig, wie es ist. Das ist kein Grund zur Freude.

Tirol ähnelt politisch bekanntlich Bayern, hat aber einige interessante Besonderheiten. Während die bayrische CSU weiterhin versucht, als sozusagen abstrakter demokratischer Fürst aufzutreten, beschreitet die Partnerorganisation ÖVP einen eigenen Weg: Sie teilte sich in mehrere Unterorganisationen auf, die auf den ersten Blick nicht als ÖVP zu erkennen sind. Man spaltete sich materiell auf und bleibt einander geistig verbunden. Die Unterorganisationen nennen sich etwa „Für Innsbruck“, „Tiroler Seniorenbund“ oder ganz traditionell „ÖVP“. Durchaus üblich ist es, von einer „Partei“ in die andere zu wechseln oder gar bei beiden zu bleiben. So findet sich als Kandidatin „Für Innsbruck“ eine Nationalratsabgeordnete der ÖVP und niemandem kommt das seltsam vor.

Listefritz“, ein weiterer ÖVP-Wurmfortsatz, tritt in Innsbruck seltsamerweise nicht an, sein Werbomobil steht verloren am Inn rum. Der Mann war früher mal Präsident der Arbeiterkammer und gemeinsam mit Fritz Gurgiser gegen alles Mögliche, nur nicht sich selbst. Die beiden ÖVP-Politiker gründeten vor langer Zeit  das „Bürgerforum“, um dessen Namen sie später gegeneinander prozessierten. Neuerdings streiten Fritz II (Gurgiser) und Fritz I (Dinkhauser) laut „Echo“ um 1,14 Millionen Euro Parteienförderung. Vielleicht gibt es bei den Landtagswahlen 2013 (das sind die ein bisschen größeren Wahlen) ja eine weitere ÖVP-Partei namens „Bürgerforum“.

Die „echte“ Innsbrucker ÖVP jedenfalls tauschte ihren Spitzenkandidaten für den Bügermeister/in-Sessel Gruber so spät aus, dass überall noch riesige Plakate mit Herrn Gruber hingen, während doch Herr Platzgummer schon seinen Platz eingenommen hatte. Der war früher einmal als Nachfolger der Bürgermeisterin Hilde Zach vorgesehen, also führendes Mitglied von „Für Innsbruck“, jetzt ÖVP.

Die SPÖ tritt angeblich auch zu den Wahlen an, aber das bemerken nur mehr ihre Mitglieder. Die restliche Bevölkerung hat das bestimmte Gefühl, diese Partei ist längst als kleiner Nick-August in der marktbeherrschenden ÖVP aufgegangen. Für die FPÖ tritt Hatschi Strache als echter Innsbrucker höchstpersönlich an — könnte man zumindest vermuten. Er strahlt auf großen Plakaten neben einem unbekannten Parteikameraden auf die Innsbrucker hernieder. Dazu gibt es noch das rührende Häufchen der Grünen, die so brav sind, dass man sie kaum bemerkt. Und wenn doch einer aufmuckt, wird er gleich ermahnt. Aber vielleicht sind die Grünen deshalb so erfolgreich im heiligen Land? Ruhe ist bekanntlich seit Beginn des Biedermeiers die erste Bürgerpflicht. Rudi Federspiel, früher FPÖ, tritt gegen die FPÖ an und, ganz neu, die Piratenpartei Tirol gegen alle. Sogar gegen die Piratenpartei Österreich, weil die mit den Tiroler Piraten nicht kooperieren will.

„Sucht nur die Menschen zu verwirren.“ Goethes Worte scheinen die Gemeindepolitik zu bestimmen. Einig sind sich die wahlwerbenden Gruppen nur in ihren Versprechen: „Gerechtes Tirol.“ „Für Innsbruck.“ „Mehr Mut.“ „Gerechtes Tirol.“ „Gemma’s an.“ „Mehr Gerechtigkeit.“

So lauten einige der „Programme“. Da kann niemand widersprechen und so kann ich eine Wahlvorhersage treffen, die mit 90 Prozent stimmt:
Die stärkste Partei bei den Gemeinderatswahlen 2012 wird die NWP sein.

Die-Nicht-Wähler/innen-Partei!

PS: Die Wahlplakate sind selbstverständlich gefälscht – „gefaked“ nennen frau und mann das heute – und widersprechen in jedem Fall Wahrheit und Wirklichkeit!

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