In der Vorwahlzeit wunderte sich ein Nachrichtenmagazin über die seltsamen Gedanken eines reichen und alten Mannes, der plötzlich eine Partei gründete.
Wie ist es möglich, meinte die Zeitung, dass ein so, nun ja, wunderlicher Mann wirtschaftlich erfolgreich sein kann, es sogar zum Milliardär bringen konnte? Und wie kann jemand, der nicht weiß, dass für bestimmte Gesetze im österreichischen Nationalrat eine 2/3-Mehrheit nötig ist, Abgeordneter im Nationalrat werden?
Die Frage falsch gestellt.
Sie setzt voraus, dass wirtschaftlich erfolgreiche Menschen intelligent, ja klug sind. Dieser Zusammenhang ist willkürlich, man könnte ebenso vom Gegenteil ausgehen.
Man erinnere sich an das Interview mit dem Nestlé-Boss Peter Brabeck in dem Film „We feed the world“ von Erwin Wagenhofer.
„Wasser braucht das liebe Vieh, hollara und hollari.“ Mit diesem Kinderlied leitete der Mann seine Ansichten zum Thema „Wasser muss Geld kosten“ ein, schließlich gilt:
„Wasser ist ein Lebensmittel, das einen Marktwert hat. … Es ist das wichtigste Rohmaterial, das wir auf der Welt noch haben.“ Das muss selbstverständlich privatisiert werden, damit man es vermarkten kann.
Wer anderer Meinung ist, nämlich dass alle Menschen ein Grundrecht auf Wasser haben, äußert eine „Extremmeinung“. Ist also ein Extremist, nahe dran am „Terroristen“.
In schlichten Worten erklärt der Mann sein ebenso schlichtes Weltbild, dass nämlich alles gut wird, wenn alles bezahlt werden muss, auch Wasser. Das ist ökologisch, denn dann würden Menschen weniger Wasser verbrauchen — Geld als Lösung aller Probleme, auch der Armut, man muss es nur haben. Das Geld.
Der CEO lächelte bei seinen Aussagen so zufrieden in die Kamera, dass der Zuseher mit Entsetzen feststellen musste: Der Mann glaubt, was er sagt!
Und hat mit seinem Weltbild Erfolg. Was sagt das über seine Intelligenz aus? Wenig, vermute ich.
Die Welt ist eine Scheibe
Wer im vorigen Jahrhundert Wirtschaft studiert hat, dem wurde als Prämisse der „homo oeconomicus“ vorgestellt. Der Mensch als rationale Maschine, die immer wirtschaftlich vernünftig handelt.
Von diesem „Modell Mensch“ leiteten sich Gesetze ab wie jenes vom „Markt“, der von rationalen Menschen gesteuert wird. Das Angebot an Gütern entsteht durch Nachfrage der Konsumenten, der Preis pendelt sich im Schnittpunkt von Angebot und Nachfrage ein.
Der Markt regelt alles, wie in früheren Zeiten der liebe Gott.
Korruption, Bestechung, Ausbeutung — all das kommt in diesem einfachen Modell nicht vor, aber es funktionierte einige Zeit ganz gut, zumindest im Sinne derer, die mit energisch ausgebreiteten Ellbogen nach oben marschierten.
Übrigens funktionierte auch das Modell der Welt als „Scheibe“ lange, sogar über Jahrhunderte! Man befuhr Meere, man handelte mit Gütern, ganz so, als wäre die Welt tatsächlich eine Scheibe. Woraus zu lernen ist, dass Modelle durchaus falsch sein können und dennoch einige Zeit funktionieren.
So lange, bis die Risse in diesem Weltbild zu deutlich werden. Die katholische Kirche, hauptsächliche Nutznießerin der Welt als Scheibe, ließ Menschen noch verbrennen, weil diese die neue Erkenntnis — die Welt ist eine Kugel — laut aussprachen. Etwa Bruno Giordano, Priester und Astronom, der 1600 zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt wurde.
Immerhin wurde 400 Jahre später von Papst Johannes Paul II. nach intensiven Beratungen festgestellt, dass dieses Urteil zu Unrecht erfolgt ist. Das wird Bruno Giordano im Paradies sicher freuen. Hier auf Erden hatte er es ja schwer.
Von den Anhängern herrschender Modelle kann man das nicht sagen. Sie befolgen die einfachen Regeln — derzeit noch jene des Marktes — ohne über ihren Sinn oder Unsinn nachzudenken. Denken wäre sogar ein großes Hindernis: Es würden Fragen nach dem Sinn des Lebens auftauchen, moralische Bedenken, Gedanken über die ungerechte Verteilung von Reichtum — alles nahezu unüberwindliche Hürden auf dem Weg zum wirtschaftlichen Erfolg.
Der ist mit schlichtem Denken einfacher zu erreichen als mit der Bürde umfassender Weltsicht. Das heißt nicht, dass es unter den Erfolgreichen nicht auch gescheite Menschen gibt. Aber Klugheit ist sicher keine unabdingbare Voraussetzung dafür. Im Gegenteil, sie behindert.
Darum wundert es mich nicht, dass Frank Stronach reich geworden ist.
Mehr beschäftigt mich das Problem, warum Bewohner eines demokratischen Landes ihn wählen.