Der Alleinerzieher als Opfer

Der Alleinerzieher

Oder? Sexualobjekt scheint er jedenfalls keines zu sein, wenn ich richtig lese. Aber der Reihe nach.
Vor einiger Zeit rief mich eine Journalistin an und interviewte mich telefonisch zum Thema „Alleinerzieher“. Der Kontakt war über das „social medium“ Twitter erfolgt, dort suchte sie nach alleinerziehenden Männern.
Ich schrieb, dass diese Zeit für mich schon lange vorbei sei — es sind mittlerweile mehr als zwei Jahrzehnte — und ich zur derzeitigen Lage dieser Männergruppe nichts „zu sagen“ hätte.

Die junge Frau rief mich dennoch an und überraschte mich mit ihrer ersten Frage: Ob ich mich als alleinerziehender Mann irgendwie diskriminiert gefühlt hätte.

Ich dachte kurz nach — am Telefon muss alles schnell gehen — und kam zu dem Schluss, dass ich zwar ziemlich viele Probleme mit dem Dasein als Alleinerzieher hatte, aber als Mann „diskriminiert“ habe ich mich nicht gefühlt. Abgesehen davon, dass ein Finanzbeamter mir die Familienbeihilfe nicht genehmigen wollte, weil ich ja nicht die Mutter war.

Ja, es war ein seltsames Gefühl, dass ich meine Tochter in Kaufhäusern in der Damentoilette wickeln musste, weil am Männerklo kein Wickeltisch war. (Ich muss noch ergänzen, dass ich damals in Deutschland gelebt habe, in Österreich waren Wickeltische weder auf der Damen-, geschweige denn auf der Herrentoilette zu finden.)

Jedenfalls wichen die empörten Blicke der Frauen auf der ihnen zustehenden Toilette — Hilfe, ein Mann! – immer sehr schnell einem mitfühlenden Blick: Ein Mann wickelt sein Kind, wie schön!

Nein, es war keine Frau darunter, die mir das Wickeln abnehmen wollte oder mich beobachtete, ob ich alles richtig machen würden.

Ja, die Schwieger-Verwandtschaft löste sich plötzlich in Luft auf, ebenso wie einige Freunde. Offenbar fällt es den meisten Menschen schwer, auf eine schwierige Situation einfühlsam und ohne Parteinahme zu reagieren, gar darüber zu reden.

Nein, das ist kein männliches Problem, sondern ein menschliches. Ich nehme an, Frauen geht es nicht anders. Diskriminierung von Alleinerziehern ist kein geschlechtsspezifisches Problem, sondern ein allgemeines.

Mehr wollte die Journalistin nicht von mir wissen. Das fand ich merkwürdig, aber schließlich bin ich kein Journalist.

Der Opfermythos

Als ich den Artikel las, staunte ich: Ein alleinerziehender Vater berichtete davon, wie sehr er von misstrauischen Blicken verfolgt wird, wenn er mit seinem Kind unterwegs ist. Niemand traue ihm offenbar zu, dass er es aufziehen könnte.

Jeder hat darauf gewartet, dass ich aufgebe und nach Hilfe schreie.“ (Wiener Zeitung)

Alleinerzieherin

Sind die Zeiten schlechter geworden?
Hatte ich Glück, in den späten 80er Jahren Alleinerzieher zu sein, weil die Menschen so tolerant und freundlich waren?

Ich weiß es nicht.

Ich vermute allerdings, dass hier eher ein österreichischer Charakterzug beschrieben wird: die Opferhaltung. Was immer geschieht, die Welt ist gegen uns. Im Fußball sowieso, aber auch in Sachen Emanzipation.

Kaum Alleinerzieher, schon treffen ihn Blicke, „die vermittelten eine klare Botschaft: ‚Was macht das Monster mit dem Kind?’“

Meine Wirklichkeit sah anders aus und ich muss ergänzen, dass das später in Wien genauso war. Ich hatte ein anderes Problem: Ich fühlte mich als Sexualobjekt völlig vernachlässigt.