– dann kann sie was erzählen. Aber es muss nicht unbedingt etwas Kluges sein. Frau Karmasin, Familienministerin und für Bildung zuständig, war in Dänemark.
iPad-Schule macht klug?
Dort hat sie eine Schule besucht, deren Schülerinnen und Schüler mit dem Apple-Tablet unterrichtet werden. Das hat sie so begeistert, dass sie dem Vernehmen nach „sehr angetan“ war.
Von dänischen Schulen, in denen Lehrerinnen und Lehrer eigene Arbeitszimmer haben, statt in der eigenen Wohnung Vorbereitungen und Korrekturen zu machen, hat sie leider nichts erzählt. (Übrigens können diese Arbeitszimmer, die Lehrerinnen und Lehrer notgedrungen haben müssen, steuerlich nicht abgesetzt werden. Eine í„nderung dieses seltsamen Gesetzes könnte sie mit ihrem Kollegen, dem Finanzminister, mal besprechen. Der ist sicher dagegen, weil es kostet.)
Jedenfalls möchte sie gerne ab 2016/17 E-Books an den Schulen einführen, die von Verlagen „kostenlos erarbeitet würden“. Man kann sich vorstellen, welche Qualität kostenlose Bücher haben müssen, damit ein Verlag sie anbietet.
Zurück zum iPad: Frau Karmasin ist begeistert, dass die dänischen Jugendlichen mit dem Tablet selbständig lernen und dabei ganz viel Spaß haben. Das erinnert mich an die Phantasien diverser Minister aus dem vorigen Jahrhundert.
Anna lernt Sprachen
Damals feierten naive Bildungsminister das Radio: Endlich werden alle Menschen freien Zugang zu Bildung haben. Der Erfolg hielt sich in Grenzen, ein Weltkrieg kam dazwischen, in dem faschistische Regierungen etwa den „Volksempfänger“ einführten, in dem ausschließlich Nachrichten der Führer gesendet wurden. Wer ausländisches — also verbotenes — Radio hörte, verschwand rasch in den Zellen der Nazis.
Dann kam das Fernsehen, schon wieder ein ungeheurer Beitrag zur Bildung! Oder doch zur Verblödung? Wer „Dschungelcamp“, „Villacher Fasching“, „Deutschland sucht den Superstar“ oder „Die große Chance“ sieht, kann darin Bildung nicht einmal in homöopathischer Dosierung erkennen.
Knapp vor der Jahrtausendwende die „allerneueste“ Nachricht: Das Internet rettet die Welt, mit Computer und Tablet haben alle Zugang zu jeglicher Bildung.
Josef Weizenbaum oder Clifford Stoll, ich konnte die Stelle leider nicht finden (auch nicht im Internet) erzählte einst die Geschichte von Anna.
Das Mädchen Anna wird dank Internet und Computer (oder iPad), phantasierten Bildungspolitiker, freien Zugang zu Bildung haben. Wenn sie nachts aufwacht und nicht einschlafen kann, dann wird sie zum Beispiel sofort einen Spanisch-Kurs anklicken und ihre Sprachkenntnisse erweitern.
Ist das nicht herrlich?
Genau, meinte der Autor. Das wird Anna machen.
Aber auf welchem Planeten, zum Teufel, lebt Anna?
Auf der Erde jedenfalls nicht. Hier wird sie das nächste Spiel anklicken, weil das viel spannender ist als ein Sprachkurs im Internet.
Lernen ist nicht (nur) lustig
Der Verfasser der Geschichte von Anna forderte von verantwortungsbewussten Politikerinnen und Politikern etwas anderes:
Investiert nicht in Maschinen, sondern in Menschen. Die Aus- und Fortbildung von Lehrerinnen und Lehrern ist wichtiger als jeder noch so gute Computer. — Abgesehen davon, dass Konzerne wie Apple oder Microsoft es selbstverständlich lieber sehen, wenn es umgekehrt läuft. Das sind die ihren Aktionären schuldig, aber nicht der Bildung.
Meine Erfahrungen im Bereich „Computer in Schulen“ sind vielfältig. Ich war EDV-Kustos, ich habe die Anwendung von unterschiedlichen Programmen unterrichtet. Ich greife auf einen Aspekt zurück, den der Ökonomie.
Wer glaubt, Computer oder Tablets könnten das Lernen billiger machen, irrt. Es werden nämlich immer nur die Anschaffungskosten zur Kalkulation verwendet. Die Folgekosten werden, ähnlich wie bei einem AKW, nicht berücksichtigt. Wer heute bei der ÖBB eine Fahrkarte mit dem Betriebssystem Windows XP kaufen will, erlebt eine unangenehme Überraschung: Das System wird nicht mehr unterstützt. Das bedeutet schlicht und einfach, die Benutzerinnen und Benutzer müssen „updaten“. Und daher einen neuen Computer kaufen, weil der alte das neue System nicht schafft.
Apple spielt ein ähnliches Spiel. Alte Computer — und die Rede ist von einem Zeitraum von etwa 20 Jahren — können nicht mehr upgedated werden.
Was dann? Wie groß sind die Folgekosten? Ein Buch hat keine. Es hält mehrere Jahrzehnte, manches sogar Jahrhunderte.
Abgesehen von diesen ökonomischen Problemen: Lernen ist nicht aus sich heraus (per se, für Lateinliebhaber) lustig. Es kann dennoch glücklich machen.
Wer den „Spaßfaktor“ von Lernen betont, ist mir verdächtig. Das wäre ungefähr so, als würde man einem Spitzensportler nachsagen, dass sein Training ihm „Spaß“ macht. Nein, das Training ist nicht lustig! Jeden Tag viele Stunden mit Gewichten behängt die ewig gleichen Übungen machen und dabei an Geräte angeschlossen sein, die Herzrhythmus, Milchsäure und was weiß ich welche Daten messen, das macht keinen Spaß.
Die Freude steht erst am Ende des Weges: Ich kann, zum Beispiel, einen steilen Abhang schneller als andere runterfahren. (Über den Sinn dieses Unternehmens äußere ich mich jetzt nicht.)
Unterricht, der begeistert
Statt weiter in technische Geräte zu investieren, die das Lernen nicht verändern, ist es hoch an der Zeit, Lehrerinnen und Lehrer gut auszubilden. In Finnland bewerben sich zehn Menschen für ein Lehramtsstudium, von denen einer genommen wird. In Österreich unterscheiden sich die Aufnahmekriterien von Pädagogischer Hochschule zu Pädagogischer Hochschule, je nach Bundesland. Wer auf Grund undurchsichtiger Kriterien aufgenommen wurde, wird mit großer Wahrscheinlichkeit sein Studium abschließen und Jahrzehnte Kinder bilden.
Ob engagiert oder nicht, spielt danach nur mehr eine untergeordnete Rolle. Wie groß der Anteil jener ist, die (irrtümlicherweise) annehmen, dieser Beruf sei ein leichtes Spiel, weiß niemand.
Tatsache ist: Österreichische Jugendliche finden Schule weitgehend uninteressant und das Image der Unterrichtenden fällt ungefähr so aus:
Ein Lehrer hat vormittags recht und nachmittags frei. Ein folgenschwerer Irrtum für alle Beteiligten.
Wer glaubt, dass sich diese Situation durch Einführung von Tablets und E-Books ändert, hat nichts verstanden und sollte schweigen. Oder den Beruf ausüben, den sie oder er offensichtlich schwänzt, um das Zitat eines Regisseurs in Erinnerung zu rufen.
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