Sommergespräche 2017: Ich nix versteh‘n!

Das Salzamt war eine Stelle ohne Publikumsverkehr - dort konnte man sich daher nicht beschweren. "Geh zum Salzamt" ist ein Wiener Ausdruck für menschliche Vergeblichkeit.

Beschwerdestelle des ORFs

Ich schätze den Rundfunksender Ö1. Und ich schalte seit vielen Monaten politische Sendungen des TV-Senders ORF ab.

Die immer gleichen Fragen nerven. Mein Verstand sagt: Das wird nix mit Informationen!

Manchmal übergehe ich meinen Verstand und sehe zu.

 

 

Was ich immer schon nicht wissen wollte

„Welchen Beruf schwänzen Sie?“, soll der Theaterregisseur Fritz Kortner einen Schauspieler gefragt haben, der offensichtlich mehr als unbegabt war. Diese Frage können wir an viele ORF-Journalisten richten, die an anderen Arbeitsplätzen besser aufgehoben wären. (Allerdings zu erheblich weniger Geld.)

Herr Leitner etwa beginnt sein Sommergespräch mit Ingrid Felipe – nach einer Einleitung über den Bauzustand des Parlaments – mit folgender wichtigen Frage, die Fahrt von Tirol nach Wien betreffend.

„Für Sie ist das eine stundenlange Anreise mit dem Zug, wie Sie mir gesagt haben, um hierher nach Wien zu kommen. Haben Sie sich da nicht manchmal auf der Fahrt durch das flache Alpenvorland, bei einem Halt in Attnang-Puchheim beispielsweise, (dort hält übrigens kein Railjet, aber vielleicht nimmt Herr Leitner an, dass Frau Felipe mit einem gemütlichen Personenzug nach Wien fährt) gefragt, wenn Sie aus dem Fenster gesehen haben, warum tu ich mir das alles an, nach den Entwicklungen, die diese Partei genommen hat, seit ich sie übernommen habe.“

Die Antwort auf die uninteressante Frage war notgedrungen nicht sehr spannend, daher legte der Interviewer im Laufe der Zeit immer mehr nach. Es entstand eine Art Selbstgespräch mit Zwischenrufen von Frau Felipe.

„Sie plakatieren auf Ihrer ersten Plakatserie ‚100 Prozent Ja zu erneuerbarer Energie‘. Zu 100 Prozent erneuerbarer Energie. Ja. Zu. Jetzt, na. Also da muass ja jetzt sozusagen ein Stakkato an Forderungen mit einhergehen, die habe ich bis jetzt nicht gehört, die hätte ich jetzt so gerne ergründet, aber ein paar haben wir ja jetzt eh gehört auch. Ah, wir müssen auch ein bissl weiterkommen in den, in den Themen, weil ich diese Plakatserie gerade ins Treffen führe,  die Sie da, die waren so, glaube ich, die ersten in dieser Kampagne, in diesem Wahlkampf, die Sie da drucken und plakatieren haben lassen, (Einwand von Frau Felipe, dass sie noch nicht plakatiert wurden, macht nichts, weiter im Text) plakatieren noch nicht, aber drucken haben lassen, jedenfalls ham‘ Sie’s vorgestellt, darauf sieht man, social media, ja, trotzdem hab‘ ich‘s g‘sehn, man sieht da drauf verfremdete Gesichter von ÖVP und SPÖ, äh, verbrannte Gesichter, und dann sind noch, äh, also kleine Wortwitze mit ihren Familiennamen drauf. Ist das so ein bissl der Pilzsche Populismus, den er immer gefordert hat?“

 

Der Schachtelsatz

An dieser Stelle erinnerte ich mich an eine Vorlesung während meines Publizistik-Studiums.

Der vortragende ordentliche Professor und Leiter des Instituts – seinen Namen habe ich vergessen – war berühmt für seine Schachtelsätze. Weil sein Vortrag von begnadeter Langeweile geprägt war, widmeten wir Studierende uns der Frage, wie viele seiner begonnenen Hauptsätze er auch beenden wird. Es waren nur wenige.

Er war nämlich ein begnadeter Schachtelsatzredner, der im Laufe diverser Einschübe (Gebildete nennen das ‚Paranthesen‘ und ‚Appositionen‘) meistens auf den ursprünglichen Inhalt des einleitenden Hauptsatzes vergaß.

Herr Leitner hat seine journalistischen Fähigkeiten allerdings nicht im Bereich Publizistik erlernt, sondern durch das Studium der Rechtswissenschaften. Wer juristische Texte kennt, kann einen Zusammenhang (= Kontext) zwischen den Fragen und dem Studium von Herrn Leitner erkennen.

„Die Zeit fliegt dahin, daher muss ich jetzt von der Quote für nicht deutsch-sprechende Kinder im Kindergarten zur Frauenquote ganz kurz am Schluss kommen, aber nicht lange will ich darüber reden, Sie nur fragen, äh, ob Sie solch eine in der Politik, eine rechtlich verbindliche nämlich, für sinnvoll erachten, in der Tiroler Landesregierung haben Sie meines Wissens genau fifty-fifty, aber in der oberösterreichischen, jetzt nicht mehr, aber zuletzt hat es eine 100-prozentig männliche gegeben. Soll’s, so wie in börsennotierten Unternehmen und deren Aufsichtsräten, wie das ja beschlossen wurde, auch eine rechtlich verbindliche Frauenquote in manchen Gremien der Politik geben?“

Nachdem Frau Felipe kürzer antworten durfte als die Frage dauerte, kam Herr Leitner schon zum nächsten wichtigen Thema, das Wählerinnen und Wähler beschäftigt, nämlich das Leben als weibliche Ministrantin.

„Sie haben sich auch bei Ministrantinnen für eine solche Quote eingesetzt, wie ich gelesen habe, mit acht Jahren, und haben dafür gekämpft, auch ministrieren zu können. Mit ihrer Schwester gemeinsam. Äh. Welche Rolle spielt denn die Kirche heute noch in Ihrem Leben?“

Und welche Rolle spielt journalistische Kompetenz im #ORF?

Pardon, ich will selbstverständlich niemanden beleidigen! Und freue mich schon auf die Fragen an Herrn Strache und dessen Antworten.

PS: Irgendwie schade, dass Herr Stronach nicht mehr antritt. Er vermittelte zwar auch keine sachlichen Informationen, sein Unterhaltungswert war aber enorm. Vielleicht kann der ORF ihn als ‚Anchorman‘ für die nächsten #Sommergespräche gewinnen?

Ich würde mich freuen.

In diesem Sinn:
eine schöne Woche mit interessanten Fragen wünscht allen
Erich Ledersberger

Die Fragen des Journalisten wurden von mir per Zufallsgenerator ausgewählt und – so gut ich ihn verstand – transkribiert.