In den kommenden Tagen geht mein neues Buch „Als mein Ich verschwand“, 12 Kurzgeschichten, in Druck.
Und heute gibt es die erste Seite der siebenten Geschichte zu lesen.
Eine schöne Woche!
Ein richtiger Bub!
„Das geht so nicht weiter. Aus dem wird sonst nie ein richtiger Bub.“
Die Lehrerin, sie hieß Frau Peters, machte sich Sorgen und hatte Erwins Eltern zu sich gebeten.
„Er ist viel zu schüchtern. Lässt sich alles gefallen. Haut nicht zurück. Das ist nicht gut für ihn. Sie müssen ihn ein bisschen härter drannehmen. Selbst beim Völkerball steht er immer abseits, statt den Ball zu fangen und ihn zurückzuschmeißen.“
Frau Peters hatte keine Kinder. Also keine eigenen. Dafür hatte sie viele in ihrer Klasse. Und die waren ihr wichtig.
„Ich werde ihn ermuntern, schlimm zu sein. Also nicht so direkt. Eher unauffällig. Damit er keine Absicht wittert. Den Lehrstoff kapiert er sowieso, da ist er den meisten anderen ohnehin überlegen. Aber das ist in diesem Alter ja nichts Positives. Unterstützen Sie mich dabei?“
Der Vater blickt seine Frau missbilligend an.
„Er kränkelt halt sehr“, verteidigt die sich.
Ein kurzes, ablehnendes Schweigen der Lehrerin.
„Frau Peters hat Recht. Du kannst ihn nicht immer beglucken.“
Der Vater wirft nun bei den Sonntagsausflügen den Ball nicht mehr vorsichtig, sondern kräftig. Sein Sohn fängt ihn dennoch. Und freut sich. Er wirft den Ball zurück. Der Vater muss lachen. Der Ball ist leicht zu fangen. Er steigert den Einsatz. Wieder fängt ihn sein Sohn. Dieses Mal fällt es ihm schwerer. Hin und her geht das Spiel, wird ein Kampf. Der Bub unterliegt. Erschöpft, mit roten Wangen, gibt er auf.
Das war ein schöner Tag. Am nächsten Sonntag wird er besser werfen.