Und auch liebe Berlinerinnen und Berliner: alles paletti! Auch wenn in der ZEIT sich ein paar Journalisten ihren Frust von der Seele und in den Computer geschrieben haben und beinahe wie die Wiener gejammert haben:
Macht alle weiter wie bisher und lernt von Wien!
Flughafen
Okay, euer derzeitiger Flughafen sieht nicht besonders aus, aber manches Entwicklungsland würde euch um ihn beneiden. Und wenn auch die Fahrt nach Berlin-Mitte an Busfahrten in Senegal oder Indien denken lässt: Das Schöne daran ist ja, dass man einander näherkommt. So nahe, dass andernorts schon von sexueller Belästigung gesprochen würde.
Nicht in Berlin. Hier ist man liberal und zutraulich, auch wenn man gerne auf andere hinpeckt (für meine nördlichen Leserinnen und Leser: leicht hinhaut). Ich fühlte mich, abgesehen vom Flughafen, sofort an meine Heimatstadt Wien erinnert.
„Können Sie mal aufstehen?“, fährt ein älterer Mensch einen jüngeren an, der gerade aufsteht, um einer älteren Frau Platz zu machen.
„Was glauben Sie, was ich hier mache?“, antwortet der Angesprochene, um zu mir gewendet fortzufahren: „Menschen jibt’s.“
Das alles im hektischen Berlin-Ton, der sich vom gemütlichen Wien-Ton doch etwas unterscheidet. Dort würde die Antwort lauten:
„Heast, Oida! Geht’s da no?“
In Wien gibt es auch in jedem öffentliche Verkehrsmittel, das vom Flughafen in die Stadtmitte fährt, Abstellplätze für Kleinigkeiten wie Koffer. In meinem Geburtsort gibt es sogar drei Möglichkeiten, mit einem öffentlichen Verkehrsmittel vom Flughafen in die Stadt zu fahren, aber das nützt nichts. Die Wiener sind trotzdem unzufrieden mit ihrer Stadt.
Let it be – or so
In Wien funktionieren nicht nur die Öffis, sondern auch die Müllabfuhr! Mein Hauptwohnsitz Innsbruck könnte sich davon eine Scheibe abschneiden. Auch Venedig, übrigens. Eine Venezianerin erläuterte mir vor einem Monat händeringend, dass sie lieber in Wien leben würde, weil dort alles so sauber ist.
Ich kann dort übrigens durch Stadtviertel spazieren, die ich in meiner Jugend gemieden hätte. Das Risiko, von einem jugendlichen Messerstecher durchlöchert zu werden, hat sich in den Jahren drastisch reduziert. Adrenalinmäßig eine Katastrophe! Tut sich die Stadtregierung deshalb so schwer?
Die FPÖ, deren Anhänger sich permanent vor nicht existierenden Gefahren fürchten, droht damit, bei der nächsten Wahl in Wien die Nummer Eins zu werden. Da können noch so viele Organisationen Wien immer wieder zur lebenswertesten Stadt der Welt küren, ein großer Teil der Bevölkerung jammert, das gehört zum hiesigen Ambiente wie der Heurige.
Der Wiener liebt die Angst. Warum und wofür er sich fürchten soll, ist ihm egal, Hauptsache, es schaudert ihm. Damit gleicht er dem Menschen an sich, denn ein ähnliches Gefühl erfasst derzeit auch andere so genannte „Völker“ und Nationen.
Die meisten haben übrigens keine Angst vor jenen, die Steuern hinterziehen, immer mehr sinnlose Güter anhäufen und andern einen bescheidenen Wohlstand verwehren. Nein, sie fürchten sich lieber vor jenen, die noch ärmer als sie sind.
So gesehen ist es durchaus klug von der Berliner Stadtregierung, nichts fertig zu kriegen, Müllhalden zu ignorieren und ihre Einwohner auf Urkunden monatelang warten zu lassen.
Würde all das funktionieren:
Die Unzufriedenheit wäre nicht geringer, eine Niederlage bei den nächsten Wahlen unausweichlich.
Das wollte ich all jenen mitteilen, die glauben, eine funktionierende Großstadt sei eine Garantie für zufriedene Menschen. Es sieht eher so aus, als müssten die Missstände erst sehr groß werden, dass eine Verbesserung der Situation bemerkt wird.
So gesehen stehen die Chancen für Berliner Politiker allerdings besser als für jene in Wien.
In diesem Sinn: Optimismus ist immer gut!