Der Kompetenzmanager

Computer verbessern die Schule?

Schule 4.0 – alles wird besser?

Das LLL (= LebensLangesLernen) ist bekanntlich DAS Schlagwort unserer Zeit, das von Wirtschaft und Pädagogik mindestens so oft propagiert wird wie Schule 4.0 und Industrie 4.0.

Ich nehme das sehr ernst und lerne ständig dazu, vielleicht steige ich demnächst als Kompetenzmanager in das Bildungssystem ein.

 

 

 

Der Kompetenz-Hype

Irgendwann hatte jemand die Idee, den betriebswirtschaftlichen Begriff „Kompetenz“ auch auf andere Gebiete zu übertragen. Stand in Meyers Taschenlexikon 1983 noch schlicht, Kompetenz meine Zuständigkeit, Befugnis, finde ich heute auf Wikipedia kompetente Bakterien, soziale Kompetenz, Organisationskompetenz, Behördenkompetenz, Handlungskompetenz und pädagogische Kompetenz. (Das ist eine unvollständige Auflistung!)

Im Zuge der Anpassung von Schülerinnen und Schülern an wirtschaftliche Erfordernisse – siehe Bildungsstandards und Verschulung der universitären Ausbildung nach Bologna – meint man offenbar, die Zerbröselung des Unterrichts in möglichst viele „Teilkompetenzen“ könne ihn verbessern.

Jedenfalls kann das Ergebnis gemessen werden, nämlich mit der IKM (= Informelle Kompetenzmessung). Das glaubt jedenfalls das BIFIE und stellt das Werkzeug, pardon: tool „als Paper/Pencil-Version“ zur Verfügung. Man ist international und stolz auf seine Englischkenntnisse.

Lehrerinnen und Lehrer unterrichten also nicht mehr bloß engagiert und fachkundig, gehen dabei auf die Kinder und Jugendlichen ein, nein: Sie lehren jetzt fachkompetent und methodenkompetent soziale und personale Kompetenzen.

Wo die Verwirrung über den Zustand der Welt wächst, wachsen auch die verwirrenden Begriffe inklusive damit verbundener Berufe, kein Wunder, dass es auch den Kompetenzmanager gibt, der all diese Kompetenzen kompetent verwaltet.

 

Digitalissimo!

Parallel zur Kompetenzverwirrung hat sich der Gedanke verfestigt, dass Schulen digitalisiert werden müssen, die Kinder müssen auch digital kompetent werden!

Wie das pädagogisch sinnvoll umgesetzt werden kann, ist dabei nicht wesentlich. Wichtig ist die Ausstattung von Volksschulen mit Tablets, weil sie dann furchtbar viel Spaß am Lernen entwickeln. Das ist wissenschaftlich höchst umstritten, Computerexperten wie Joseph Weizenbaum, der am MIT Computerprogramme entwickelte oder Clifford Stoll, der einst einen berüchtigten Hacker enttarnte, halten das für einen gefährlichen Unsinn.

Multinationale Konzerne wie Microsoft und Apple freuen sich. Sie machen mit ihren Programmen nun auch im Bildungsbereich beachtliche Profite.

Unter dem Lehrpersonal – so werden Lehrerinnen und Lehrer politisch korrekt genannt – gibt es, grob vereinfacht, zwei Gruppen: Die digitalen Verweiger und –innen und die Fans. Letztere glauben an die Schule XY.0 als Retterin der Menschheit.

Kurse werden angeboten wie etwa

  • Flipped Classroom, mit G Suite for Education und Smartphone den Unterricht auf den Kopf stellen oder

  • Social Video Learning im Inverted Classroom werden ebenso angeboten wie

  • 20 Tools. Lassen Sie das Internet für sich arbeiten!

Wer Letzteres glaubt, wird nicht selig, sondern sein blaues Wunder erleben.

In dem Buch eines Kritikers las ich einmal ungefähr folgende Sätze:
Die Anhänger des Internets haben eine seltsame Vorstellung von Computern. Sie meinen, hätte Anna die Möglichkeit, jederzeit eine Sprache zu lernen, würde sie abends einen Spanisch-Kurs ansehen. Oder einen Mathe-Kurs. Die Möglichkeiten der neuen Techniken sind einfach großartig.

Ja, sicher, ergänzte der Autor. Anna wird das sicher machen. Aber auf welchem Planeten lebt diese Anna? Auf der Erde hier würde sie Videos ansehen und Computerspiele spielen.

Bildung wird durch den Einsatz von (teuren) EDV-Geräten nicht besser. Dazu braucht es gut ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer. Nur die Besten sollen unsere Kinder unterrichten, wie etwa in Finnland. Dort ist der Beruf so angesehen, dass die Universitäten von zehn Bewerberinnen und Bewerbern einen auswählen können.

Wenn schon Investitionen, dann bitte in Menschen, nicht in Maschinen!

In diesem Sinn:
Ich wünsche allen einen schönen Sonntag!
Euer Erich Ledersberger