Was soll ich anziehen?

Hauberl auf den Kopf!

Schützt die Haare unserer Frauen!

Meine #ALT (= AllerLiebsteTochter) hat ein Problem: Soll sie sich nun verhüllen – oder enthüllen?

Und wie soll sie sich verhalten in Zeiten, in denen das Gegenteil von richtig auch nicht falsch ist?

 

 

 

Das Enthüllungsverbot

Vor einigen Jahren, als meine #ALT sich mühsam der Matura entgegenschleppte, gab es an einigen Schulen strenge Kleidervorschriften. Mädchen durften damals – es handelt sich um die 1990er Jahre! – keine T-Shirts mit Spaghettiträgern anziehen.

Viel zu offenherzig im wahrsten Sinn des Wortes und daher Lehrerinnen und vor allem Lehrern nicht zumutbar. Die erste Gruppe könnte neidisch werden, die zweite erregt, beide also in Zustände geraten, die in Schulen nichts zu suchen haben.

Zum Unterschied vom heutigen Verhüllungsverbot existierte ein Verhüllungsgebot, also ein Enthüllungsverbot.

Wie Jugendliche so sind, wehrten sie sich gegen idiotische Vorschriften ihrer Altvorderen und trugen bald darauf Rollkragenpullover, die den Bauchnabel frei ließen.

Kleidungsmäßig und politisch korrekt war das selbstverständlich auch nicht, man erließ sogleich weitere Vorschriften über das Verhüllen des Körpers, worunter übrigens in erster Linie der weibliche Körper verstanden wurde.

Ähnlichkeiten mit dem Verhüllungswahn bestimmter Religionen etwas weiter östlich von uns sind durchaus gegeben, allerdings drohten den Schülerinnen hierzulande immerhin keine Peitschenhiebe.

Meine #ALT war jedenfalls empört und protestierte gegen diese Bekleidungsvorschriften.

 

Verhüllt euch solidarisch!

Einige Jahre später meinte allerdings ein österreichischer Bundespräsident, dass zum Schutz der islamischen Frauen „noch der Tag kommen [wird], wo wir alle Frauen bitten müssen, ein Kopftuch zu tragen. Alle, als Solidarität gegenüber jenen, die es aus religiösen Gründen tun.“

Meine #ALT ist noch immer gerne solidarisch mit den Unterdrückten dieser Welt, aber nun kommt sie in eine Zwickmühle:
Vor wenigen Jahren musste sie sich aus Protest enthüllen, nun sollte sie sich aus Protest und religiösen Gründen verhüllen!

Noch dazu gibt es im fernen Persien viele Frauen, die aus Protest das vom Islam vorgeschriebene Kopftuch eigenhändig entfernen und dafür bestraft werden!

Und hierzulande gibt es eine Regierung, die plötzlich die Rechte von Frauen verteidigt, indem sie ihnen verbietet, aus religiösen Gründen ein Kopftuch zu tragen.
Während die gleiche Regierung gleichzeitig nichts dagegen hat, dass Bewohnerinnen von katholischen Klöstern aus ebenfalls religiösen Gründen ein Kopftuch tragen müssen!

Was tun?
Sich zuerst ein Kopftuch aufsetzen, um sich mit der Unterdrückung von Frauen im Namen der Religion zu solidarisieren?
Und danach das Kopftuch entfernen, um sich mit der Befreiung der Frauen im Iran zu solidarisieren?

Wer soll sich da noch auskennen?

Am einfachsten wäre es, wenn in einer aufgeklärten Gesellschaft – und für eine solche halten die meisten Menschen die westliche Demokratie noch – alle religiöse Symbole öffentlich verboten werden.
Wenn schon, denn schon!

Einen schönen 1. Mai wünscht euch allen
Erich Ledersberger