Die Drängler sind da!

So schnell! Geil.

So schnell! Geil.

„Wir sind wieder daheim“, stöhnte Wolfgang. „Im Land der Drängler.“

Tatsächlich fühlte es sich am Flughafen Richtung Wien irgendwie anders an als in Malta. Hinter mir drückte an dicker Bauch an mich, die Frau vor mir versuchte vergeblich, einen vor ihr stehenden Mann zu überholen.

 

Meine Heimat, das Land der Drängler

Wer in Österreich unterwegs ist, sei es als Auto- oder Radfahrer merkt es gleich: Die Menschen hier haben es immer eilig. Sie sind im Stress, wie wir so sagen.

Die Krankheit ist uner Pathologen als „morbus urgens austriacus“ bekannt.

Wohin wollen sie?
Was treibt sie an?
Retten sie gerade die Welt?

Ich fürchte, es ist die Eile an sich, die sie treibt. L’art pour l’art hieß eine Kunst, die sich selbst genügte. Und so genügt auch die Eile und das Drängeln der Österreicher sich selbst. Darin einen Sinn zu finden, ist müßig.  Helmut Qualtinger fasst dieses Gefühl zusammen in den Versen des Motorradfahrers:
„Ich waß net, wo i hinwü, dafia bin i schnölla duat.“
(Übersetzung; „Ich weiß nicht, wo ich hinwill, dafür bin ich schneller dort.“)

Das entspricht dem Grundgefühl des Österreichers. Auch hiesige Politiker und –innen wissen ganz selten, wohin sie wollen und sprechen daher schnell über alles Mögliche, nur nicht über das Thema, zu dem sie befragt wurden.

Jedenfalls, um auf den Anlassfall zurückzukommen, drängte sich der Bauch eines Fremden an mich. Wäre es jener einer netten Frau gewesen, ich hätte mich möglicherweise zurückgehalten. So aber keimte in mir Wut auf gegen diesen Angriff auf meine Intimsphäre.

Ich wollte mich gerade umdrehen und den fetten Angreifer zur Rede stellen, ihm erklären, dass mein Arsch mir gehört, da zog mich Wolfgang zur Seite.
„Wir sind wieder daheim. Reg dich nicht auf.“

Autobahn und Fahrradstreifen

Er hatte recht. Wer auf Österreichs Fahrbahnen unterwegs ist, egal ob für Autos oder für Fahrräder, bekommt ständig das Recht des Stärkeren zu spüren.
Vorsicht?
Rücksicht?
Nebbich!

Hier haben es alle eilig. Ob Lieferdienst mit aufgewärmten Suppen oder Radfahrer, die anscheinend für die Tour de France trainieren: Alle haben es eilig und treten mit verkrampften Blick in die Pedale. Ausweichen ist Pflicht für alle anderen.

Ob Fußgänger oder Kinderwagen, den Dränglern ist alles ein Hindernis. Ob auf den Autobahnen oder dem Wiener Gürtel, es wird um jeden Meter gekämpft, als würde er den Weltmeistertitel bedeuten. Zumindest.

Ein paar Ampeln weiter trifft man den Ehrgeizling wieder, er hat immerhin zwei bis drei Autos überholt. Was treibt diese Menschen an?
Niemand weiß es.

Das Land der Höflichen

Dass sich der Hang zum Drängeln auch in mein Verhalten eingeprägt hat, musste ich in Barcelona erleben.
Es war unser erster Tag in Spanien und wir gingen in einen Supermarkt einkaufen. An der einzig offenen Kassa eine lange Menschenschlange. Wir waren so ziemlich die Letzten.

Da! Eine zweite Kassa wurde aufgesperrt. Den österreichischen Kampf ums Leiberl bzw. besten Kassaplatz verinnerlicht, starteten wir mit unserem Einkaufswagen und sprinteten vom letzten Platz zur Kassa.
Gewonnen! Wir waren die Ersten.

Allerdings ging ein Raunen durch die Menge und Blicke bohrten sich wie Speere in uns. Was war los? Was hatten wir getan?
Eine freundliche Frau erklärte uns, dass wir ganz hinten angestanden waren und jene, die vor uns standen, selbstverständlich auch vor uns an der zweiten Kassa drankommen. Das mache man hier so.

Beschämt ließen wir die Gegner, die wir gerade elegant überholt hatten, wieder vor.
Seither drängeln wir nicht mehr.
Also in Spanien.

Schöne Grüße
Ihr/euer
Erich Ledersberger

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