Österreich ist nicht nur für Lipizzaner, Sängerknaben, hohe Berge und Heurige berühmt, sondern auch für seine unvergleichliche Titelvielfalt. Während andernorts Akademikermangel herrscht, werden hier der Einfachheit halber großartige Titel vergeben, die jeden einfachen Lehrer auf der Stelle in einen Professor verwandeln. Nur arrogante Menschen wie ein Bibliothekar an der Universität Wien setzten sich dagegen zur Wehr. Auszug aus einem denkwürdigen Telefonat, das ich mithören durfte:
„Herr Professor, wie war der Name? … Professor Müller. Sie wollen also das Buch „šMünchhausens Zopf’ von Watzlawick entlehnen. Für welches Institut, Herr Professor? … Kein Institut? … Sie sind an einem Gymnasium tätig? Ahso, Sie sind nur ein Lehrer, Herr Müller. Dann kommen Sie doch morgen vorbei. … auf Wiedersehen, Herr Müller.“
Er sah triumphierend in die Runde.
„Soweit kommen wir noch, dass ein Lehrer sich als Professor ausgibt.“
Die Geschichte ist lange her, heute wimmelt es im Lande von Professoren. In erster Linie profitiert die Jugend des Landes davon, denn sie wird — so sie denn eine höhere Schule besucht — ausschließlich von „Professoren“ unterrichtet, das steigert die Unterrichtsqualität ins Unermessliche.
Bis vor wenigen Jahren hinkten die Ausbildungsstätten, an denen Pflichtschullehrer ausgebildet werden, sträflich hinterher. Dort lehrten Lehrer, die es an der Schule nicht aushielten, zukünftige Lehrer, damit sie dort bleiben. Zusätzlich gab es „Berufspädagogische Akademien“, an denen zB Kochmeisterinnen und Schneidermeister junge Menschen lehrten, was sie selbst vor vielen Jahren gelernt hatten. Gut bezahlt, aber gesellschaftlich kaum wahrgenommen. Böse Stimmen argwöhnen sogar, dass diese Akademien nur gegründet worden waren, um eine Art Postenreservoir für Parteigänger zu haben, aber das ist selbstverständlich falsch.
So dämmerten die Pädagogischen Akademien vor sich hin, bis eine Unterrichtsministerin kam und alles änderte:
Sie erklärte die Pädagogischen Akademien zu Pädagogischen Hochschulen! Der Direktor wurde Rektor, die ehemaligen Lehrer Dozenten. Manchen war das nicht genug, sie schlossen aus der Umbennung der Anstalt darauf, dass sie, weil nunmehr an einer Hochschule tätig, Professoren geworden sind und schmückten ihre Türen und Visitenkarten mit „Professor XY“. Auch die Studierenden wurden aufgewertet: Sie erhalten den Bätschela. Also Bachelor, wie ein Tiroler Landtagsabgeordneter den Titel nannte, indem er ihn in gutem und aufrechtem Deutsch aussprach: Bachelor. Nicht Bätschela.
Den Doktor erhält man in jedem Wiener Café, wenn man oft genug hingeht, den Professor auch als Sänger (Udo Jürgens) oder Entertainer (Heinz Conrads), den Master in diversen Lehrgängen privater Universitäten. Manchmal darf man ihn bloß hinter dem Namen einfügen, manchmal vorher — aber das sind Kleinigkeiten. Wer kennt schon einen Master? Abgesehen vom Hausmasta. Also Haus-Master.
Demnächst wird es noch komplizierter: Der Doktor wird durch den Ph.D. ersetzt. Ausgesprochen wird das pi äitsch di. Das „í„tsch“ liegt also auf der Hand respektive im Mund. Wiener Kellner sind derzeit ratlos. Was sollen sie mit dem „Herrn Doktor“ machen, wenn er plötzlich ein „Herr Piätschdi“ geworden ist? „Herr í„tsch“ klingt genauso seltsam wie „Herr Pi“.
„Was hätten der Herr Pi denn gerne?“ Eine grausame Formulierung! Kein Wunder, dass alle europäischen Länder gegen die EU mobil machen, der dieser Titel zu verdanken ist.
Andererseits erleichtert es die Vergabe des Titels „Dozent“. War früher dafür eine Habilitation nötig (= eine umfangreiche wissenschaftliche Arbeit, die niemand verstand), so dürfen sich nun alle an Volkshoch- oder anderen Schulen Lehrende so nennen.
Hauptsache Titel! Und wenn die ganze Welt das seltsam findet: Österreich hat seine Mozartkugeln, Lipizzaner und Titel.
In diesem Sinn: schönen Mai,
euer
Oberstudienrat Professor Professor
Mag. Erich Ledersberger
Ehemaliger Obmann des Vereins Neu-Rosental
Präsident des Vereins KOMM