Das versandelte Land

2013-09-04_oesterreich_versandelt

Als unverbesserlicher Optimist lese ich in unregelmäßigen Abständen österreichische Zeitschriften.
Gibt es interessante Neuigkeiten? Kritische und intellektuelle Artikel zum Weltgeschehen? Schaut jemand über den Tellerrand der Provinz Österreich hinaus? Was macht die Bildungsreform? Geht gar etwas weiter?

Selbstverständlich werde ich meistens enttäuscht, zum Ausgleich gibt es wunderliche Interviews. Zum Beispiel eines mit Niki Lauda über die Formel 1:
„Charismatiker wie damals gibt es heute kaum noch.“

Meint er damit sich? Niki Lauda als Charismatiker? Dann ist unser Vizekanzler Spindelegger der Obama der österreichischen Tea-Party. Beides ist unwahrscheinlich. Dagegen ist Christoph Leitl, Präsident der Wirtschaftskammer, eine wahre Leuchtfigur. Seine Aussage, dass „Österreich versandelt“, sorgte für Empörung. Weil sie der Wahrheit entspricht? Die ist manchmal unangenehm und steht im Widerspruch zum hiesigen Leitsatz: „Verkaufts mei Gwand, ich fahr’ in Himmel“.

Natürlich könnte ich mich der Meinung des ehemaligen Herausgebers einer kritischen Jugendzeitschrift anschließen, der vor Jahrzehnten meinte:
„Was soll man machen? In Deutschland ist die meistverkaufte Wochenzeitung der STERN, in Österreich die BUNTE. Darauf muss man sich einstellen.“

Das tat der Mann und scheffelte mit dieser Einstellung immerhin viel Geld. Ein Erfolg? Finanziell sicher, aber zur Entwicklung einer liberalen Medienlandschaft hat er in ÖSTERREICH nichts beigetragen.

Dieses Land lebt noch immer in einer Art „Josephinischem Zustand“: Reformen kommen von oben — wenn überhaupt. Falls die zu „extrem“ ausfallen — was schon die läppische Forderung nach einer international üblichen Vermögenssteuer sein kann —, dann ist Feuer am Dach.

Die Kronenzeitung protestiert sogleich im Namen aller Leser, weil die um ihren Schrebergarten fürchten. Um den geht es zwar nicht, aber warum sich informieren, wo „Sich-Aufregen“ doch ein nationaler Sport ist?

Und so lege ich die Zeitschrift beiseite und hoffe auf bessere Zeiten.

Achja, in einem Punkt stimme ich Niki Lauda zu:
„Diese Mediengeilheit, die die Menschen heute treibt, ist mir völlig unverständlich. Man muss sich das einmal vorstellen: Nur weil eine junge Dame von einem Radiosprecher zu einem Fernsehsprecher wechselt, macht das in diesem Land Headlines. Völlig verrückt!“

Womit viel gesagt ist über Österreichs Medien und die Politik in diesem Land.