Recht & Ordnung – Teil 1

Graffiti Berlin

Nehmen wir an, Sie sind ein rechtschaffener Bürger, der die Demokratie für die beste Staatsform hält und darauf vertraut, dass auch Banken dieser Meinung sind. Dass also alles getan wird, damit Verbrechen verhindert werden.

Nehmen wir weiters an, dass Sie — die Redaktion gibt Ihnen den Namen Herbert Müller — in Ihrem Urlaub Falschgeld bekommen haben. Nicht viel, aber immerhin einen € 20-Schein.

So passierte es Herbert. Er erfuhr davon erst, als er mit diesem — falschen — Schein in einer Bank bezahlen wollte. Die Angestellte stellte fest, dass es sich um eine „Blüte“ handelte und erklärte Herbert, wie er das in Zukunft selbst erkennen kann. Und gab ihm den Schein zurück. Zu Hause angekommen fand Herbert es merkwürdig, dass das Falschgeld nicht eingezogen worden war und erkundigte sich im Internet, wie eine Bank in diesem Fall verfahren hätte müssen. Es war ganz einfach: Die Bankangestellte hätte den Schein einziehen müssen. Und im übrigen sei jede Bank dazu verpflichtet, das Falschgeld zu übernehmen.

Also ging Herbert zur nächsten Bank, die gleich ums Eck war, um den Schein seiner gerechten Verwertung zuzuführen. Die Angestellte blickte ihm entsetzt in die Augen und versicherte, dass sie keinesfalls falsches Geld entgegen nehmen werde, das hätte ungeahnte bürokratische Folgen. Der Gedanke, den Schein einfach in einem anderen Geschäft als Zahlungsmittel zu verwenden, keimte kurz in ihm auf, doch Herbert war von solcher Rechtschaffenheit, dass der Gedanke sofort verschwand. Und so wies er — ein wenig stur — die Angestellt auf die Informationen im Internet hin, dass nämlich jede Bank den Schein nehmen müsste. Die Angestellte ihrerseits verwies auf eine Anordnung von höherer Stelle, das keinesfalls zu tun. Herbert könne aber den Schein bei der ÖNB (Österreichische National Bank) abgeben.

So geschah es, dass Herbert einen weiten Spaziergang unternahm und schließlich vor den Pforten der ÖNB landete. Die hatte glücklicherweise geöffnet und bald stand Herbert vor einer netten Dame, die — er konnte es kaum fassen — den Schein dankbar annahm und ein Formular ausfüllte. Das dauerte etwa fünf Minuten. Herbert fragte die Dame, wie denn das nun sei: Müssen alle Banken Falschgeld annehmen? Ja natürlich, antwortete sie und zwar seien sie per Gesetz dazu verpflichtet.

Aber was nützt das beste Gesetz, dachte Herbert beim Hinausgehen, wenn sich nicht einmal jene daran halten, die es kennen (sollten)?

Vielleicht, dachte Herbert weiter, ist es an der Zeit, für mehr Recht und Ordnung, also für Demokratie einzutreten. Andernfalls werden jene, die unter Recht und Ordnung nur ihr Recht auf Unordnung verstehen, die Demokratie zerstören.

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