Österreich hat sich für das neue Jahrtausend viel vorgenommen, was die Bildung des Landes anlangt.
Folgerichtig ist seit dem Jahr 2000 erstmal die verbale Bildungsvielfalt enorm gestiegen. Wer erinnert sich etwa noch an die schlichten Handelsakademien? Eine Schulform, die zur Hochschulberechtigung führte, auch Matura oder Abitur genannt. Gut, ein wenig klang Akademie nach mehr, beinahe schon nach Universität, wie etwa die „Akademie der bildenden Künste“ in Wien.
Dass eine Handelsakademie mit einer „Philosophenschule Platons“ nichts zu tun hat, ist einigermaßen klar — aber irgendwie klang das alles ein wenig nebbich.
Vienna Business Schools
Da dachte sich die Wiener Kaufmannschaft, die einige Handelsakademien betreibt: Handelsakademie klingt gut, aber nicht englisch und bedeutend genug — und erfand die „Vienna Business Schools“.
Der Name klingt international und erinnert an die auch recht gute London Business School. Die ist zwar eine Fakultät der Londoner Universität, aber schließlich unterrichten da wie dort echte Professoren.
Gut, Professoren an Universitäten müssen einen Doktortitel haben und danach noch eine Habilitation schreiben, während für Handelsakademien vulgo „Business Schools“ in Österreich das alles nicht nötig ist, aber wer will das schon so genau wissen.
Und so gibt es in den 10er Jahren des neuen Jahrtausends viele „Business Schools“ in Österreich, mit Schwerpunkten wie „Entrepreneurship“ oder „Informationstechnologie“.
Von der Akademie zur Hochschule
Selbstverständlich konnten die Pädagogischen Akademien, in denen Lehrerinnen und Lehrer ausgebildet werden und wo die Matura Voraussetzung war, nicht zurückbleiben und machten einen Qualitätssprung: Die legendäre Ministerin Gehrer benannte die Akademien in Hochschulen um!
Personal, Gebäude und Lehrpläne blieben weitgehend gleich, aber der Name beeindruckte so sehr, dass die Absolventinnen und Absolventen nun den Titel Bachelor erhielten.
Insgesamt 14 solcher Pädagogischen Hochschulen leistet sich ein kleiner Staat wie Österreich mit etwa acht Millionen Einwohnern. Umgelegt auf Bayern hieße das, das deutsche Bundesland finanziert dort 21 Pädagogische Hochschulen.
Tut es aber nicht. Dort wurden sie 1972 aufgelöst und danach in die Universitäten eingegliedert.
Für einen solch „revolutionären“ Vorschlag, nämlich die Pädagogische Hochschule Tirol in ein paar Jahrzehnten (!) in die Universität zu integrieren, wurde der designierte neue Rektor Märk 2012 von der damaligen Ministerin Schmied wieder entfernt und der alte Rektor eingesetzt. Heute darf sich die Bürokratie mit ihm als Problemfall auseinandersetzen. Frau Schmied hat damit nichts mehr zu tun, sie ist nicht mehr im Amt.
Vom Wurschteln
Bildung ist gut, vor allem, wenn sie nichts kostet. Nicht so gut ist es, wenn schon kleine Kinder mit akademisch gebildeten Menschen konfrontiert werden, meinen manche Ministerinnen der konservativen Partei ÖVP.
Deutschland und Österreich sind bekanntlich die einzigen westlichen Staaten, die in einem der wichtigsten pädagogischen Berufe keine großen Anforderungen stellen: Kindergärtnerinnen und Kindergärtner sind ab 19 Jahren, nach Absolvierung einer fünfjährigen Schule, bereit für den Beruf.
Eine ideologische Nachfolgerin von Ex-Unterrichtsministerin Gehrer , die den Sinn einer universitären Bildung für Personal im Kindergarten nicht einsehen mochte, ist die ehemalige Motivationsforscherin und jetzige Familienministerin Sophie Karmasin. Sie findet das derzeitige System ebenfalls echt super, weil sehr billig:
„Wenn wir nur noch Akademiker in Kindergärten beschäftigen würden, dann wäre das System nicht aufrechtzuerhalten (…).“ Zudem hält sie eine Ausbildung auf Hochschulniveau auch „nicht für notwendig“, und sie fragt sich: „Müssen wir jetzt auch akademische Tischler haben?“
Wie gut, dass es keinen Wissenschaftsminister mehr gibt, dem solche Sätze sauer aufstoßen würden. Das ÖVP-geführte Wissenschaftsministerium wurde nach den letzten Wahlen bekanntlich in das ÖVP-geführte Wirtschaftsministerium „integriert“, aber das passt ja gut zur wissen(schaft)sfeindlichen Haltung im Land. Wenn in einer so genannten Qualitätszeitung wie dem Standard Kommentare wie die unten stehenden erscheinen, was steht dann auf den Seiten der so genannten Boulevardblätter?
Eine Auswahl:
Das Resultat der Akademisierung wäre insgesamt wohl eher ein Bildungsabbau und Lohndumping – jene, die sich ein Studium „leisten“ können, profitieren davon (ua höh. Gehalt), die Anderen sind die Verlierer. Dann gibt es eben mehr KindergartenassistentInnen – mit niedrigerem Gehalt und wenig Vorbildung.
Muss denn jeder studieren? Jeder Volltrottel studiert BWL oder Mechanik an irgendeiner FH oder der WU und macht dann einen Job den eigentlich ein (engagierter) HAK- oder HTL-Absolvent machen hätte können.
Und wieso sollen wir zukünftige Kindergartenpädagoginnen auf die Uni/FH schicken? Wird ihr Umgang mit Kindern besser wenn sie sich 5 Jahre lang durch Vorlesungen über die Geschichte der Pädagogik und das 4-Ohren-Modell quälen?
Alles super?
Nichts gegen 19jährige junge Menschen (nahezu ausschließlich Frauen übrigens), die sich in ihrem Berufsleben um „Klein“gruppen von zehn bis zwanzig Dreijährige kümmern müssen. Aber glaubt jemand ernsthaft, dafür reichten fünf Jahre in einer Schule, in der so nebenbei auch Mathematik, Deutsch, Englisch etc. auf Maturaniveau unterrichtet werden soll?
In einem digitalen Leserbrief stand der schöne Hinweis, dass Absolventen (nahezu ausschließlich Männer) einer technischen Schule (mit derselben Ausbildungsdauer) nach drei Jahren Berufspraxis der Titel „Ingenieur“ verliehen wird. Kindergärtnerinnen wohl der Titel „Tante“, wie die Schreiberin ironisch hinzufügte.
Die österreichische Titelsucht ist eine andere Geschichte, wir wollen hier auch nicht näher darauf eingehen. Aber was bezwecken jene Damen und Herren, die solche Bildungspolitik betreiben?
Die FPÖ ist ohnehin schon in Umfragen die Nummer Eins der Republik!
Johannes-Maria Lex hat übrigens in diesem Zusammenhang eine Petition gestartet, die ich hiermit allen an Bildung Interessierten zur Unterschrift empfehle!
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