Die Sprache ist ein Hund!

2013-06-19_kerze_orange_1

Seit ich beschlossen habe, einige Zeit nichts über österreichische Politik zu lesen und zu schreiben, ist das Leben irgendwie angenehmer geworden.
Ich kann mich zum Beispiel mit unserer Sprache beschäftigen, die sich auf wundersame Weise ändert.

In meiner Jugend gab es ja noch grammatikalische Regeln, an denen sich viele Menschen und noch mehr Redakteure weitgehend orientierten. Der ORF galt geradezu als Musterbeispiel korrekter Sprache, eine Sendung lautete gar „Achtung, Achtung, Sprachpolizei“.

Pädagogisch vorbildlich wurde erklärt, dass man nicht ohne der Grammatik ein Problem hat, sondern ohne die Grammatik. Man überlegte auch, ob eine Sendung wegen Urlaub oder doch wegen Urlaubs entfallen wird. Das waren noch Zeiten!

Heute gibt es sogar in öffentlich-rechtlichen Medien immer öfter die „orangene Revolution“, die früher bloß „orange“ hieß. Kein Wunder, dass ich mir morgens überlege, ob ich schwarze Socken anziehen soll oder doch lieber schwarzene? Gar lilane? Rosane werden ohnehin häufig verwendet.

Die Sprache ist ein Hund, der nicht folgt. Ständig verändert sie sich und Bastian Sick vermutete in seinem Buch, dass „der Dativ dem Genetiv sein Tod“ ist. Oder „sei“? Aber solche Kleinigkeiten wie Konjunktiv spielen keine Rolle mehr, wir kommen locker ohne ihm aus. Also ohne ihn. Die vielen Fälle bringen einem leicht Zufall, also einen zu Fall. Zum Glück tut das nicht weh.

Ist das nur ein Problem von Sprachpuritanern und -innen? Oder ein Spiegelbild gesellschaftlichen Wandels? Folgt der Schlampigkeit im Umgang mit der Sprache die Wurschtigkeit gegenüber Mitmenschen und allgemeine Vertrottelung? Oder umgekehrt?

„Smiregal“, könnte die Antwort darauf heißen. Philipp Möller, Autor des Buches „Isch geh Schulhof“,  verwendet das Wort gerne, auch so geschrieben. Und befürchtet den Untergang des Abendlandes nicht einmal, wenn die deutsche Sprache dereinst ohne Artikel auskommen sollte.
Ohne Artikel!
Kein Geschlecht mehr! (Zumindest in der Sprache.)
Mensch, frau und man stellen sich das mal vor! Gendern wird beim Schreiben nahezu überflüssig! Hunderte Dissertationen verlieren ihren Untersuchungsgegenstand!

Keine Angst, noch ist es nicht so weit.

Der Mann, der all dem gelassen gegenüber steht, ist übrigens Lehrer an einer Berliner Schule und wäre er in Tirol, würde jemand wahrscheinlich antworten: „dusogsches“. Muss deshalb der Bildungsnotstand ausgerufen werden?

Jein, um es in aller Klarheit zu sagen.

Bilingual — und zwar richtig

Ich bin ein Anhänger des bilingualen Unterrichts, aber ohne Fremdsprachen. Es nützt nichts, wenn Lehrerinnen und Lehrer (neuerdings wegen der Genderproblematik Lehrpersonen genannt) ihre Inhalte englisch stammeln, weil sie einen Crash-Kurs „English for teachers“ erhalten haben.

Ich bin dafür, dass sie stattdessen im Unterricht ein verständliches Hochdeutsch sprechen und die Jugendlichen diese Sprache lehren. Und nebenbei, als Zweitsprache, darf auch Dialekt gesprochen werden. Zumindest hin und wieder.

Auf diese Weise wird die regionale Sprachmelodie geschützt und wir können uns dennoch miteinander verständigen. Andernfalls machen wir es der Schweiz nach, in der seit vielen Jahren die „Sprache“ Schwyzerdütsch verwendet wird. Über deren Schönheit verliere ich kein Wort, wichtiger ist, dass ich mich vom Schweizer Fernsehen weitgehend  ausgeschlossen fühle, obwohl Schweizer und Österreicher früher teilweise die gleiche Sprache hatten.

Sprache ändert sich. Genauer gesagt: Wir ändern die Sprache. Sie selbst hat nichts zu sagen. Problematisch wird es, wenn sie so ungenau verwendet wird, dass andere ihren Inhalt nicht oder falsch verstehen. Noch schlimmer ist es, wenn der Mensch selbst nicht weiß, was er sagen will. Damit ich nicht wieder bei Politikern lande, Beispiele aus anderen Gebieten.

Erheitert die Aussage „In Rodewisch stießen zwei junge Damen beim Ausparken mit ihren Hinterteilen zusammen“ noch ebenso wie die Werbung für ein „Sweet-Shirt“, dann kann die Aufforderung „Trink Wasser für Hunde“ schon zu Bauchbeschwerden führen. (Die Beispiele sind dem Buch „HAPPY AUA“ von Bastian Sick entnommen.)

Semmelnknödeln?

Spannend wird es beim Problem der Semmelknödeln, das schon Karl Valentin beschrieben hat. Heißt es nicht Semmelnknödel? Gar Semmelnknödeln? Kommt darauf an, ob eine Semmel verwendet wurde oder mehrere Semmeln! Die Semmel ist nämlich weiblich und daher wird in der Mehrzahl ein n angehängt. Knödeln ist jedenfalls falsch, weil Knödel männlich oder, in Bayern und Österreich, sächlich ist und die Mehrzahl immer die Knödel heißt. Das gilt zumindest, solange wir zwischen unterschiedlichen Geschlechtern in unserer Sprache unterscheiden. Karl Valentin konnte sich mit seiner präzisen Logik leider nicht durchsetzen und deshalb hat sich der/das Semmelknödel durchgesetzt.

Wir Österreicher haben bekanntlich das Wort „Erdäpfel“ schützen lassen, einer unserer größten Erfolge in der EU. Aber das verringert das Problem nur geringfügig. Demnach kann es Erdapfelknödel ebenso geben wie Erdäpfelknödel, siehe oben, keinesfalls Knödeln. Und doch wird kein Gast je einen „Erdapfelknödel“ bestellen können, ohne auf großes Unverständnis zu stoßen. Vielleicht fördert solches Vorgehen aber die Sensibilität? Genauigkeit der Sprache fördert Genauigkeit des Denkens, das darf nicht vergessen werden. Und kann oft Spaß machen, wie das schöne Foto von Markus Koschuh zeigt, das er auf seiner Facebook-Seite veröffentlicht hat:
„Dieses WC wird vom Brunnstein Stüberl am Bahnhof Scharnitz betreut und steht Ihnen als Ansprechpartner zur Verfügung.“

Die Telefonnummer soll hier nicht genannt werden, andernfalls bekommt das WC zu viele Anfragen und reagiert mit Logorrhö (= Wortdurchfall).

Ich plädiere für Toleranz bei Sprachänderungen und Strenge bei  der Überprüfung von Aussagen. Das „macht Sinn“, um es mit einer Übertragung des englischen „it makes sense“ ins Deutsche zu formulieren.