Wirtschaftskrise

Kopf hoch!

Keine Krise. Oder?

Schon ein paar Jahre her, aber noch immer aktuell:

Die Wirtschaftskrise.

Dieser Beitrag ist auch als Video zu sehen: Videosplitter Wirtschaftskrise – eine Analyse.

 

Als Kind bin ich mit meiner Mutter auf den „Markt“ einkaufen gegangen.

Das war in Simmering — genau, dort wo der Ostbahn-Kurti herkommt. Was eigentlich nicht stimmt,  weil der Ostbahn-Kurti gar kein echter Simmeringer ist, weil nicht dort geboren. Der Kurti heißt nämlich Resetarits und ist in Stinatz geboren. Aber bitte, wir Simmeringer sind tolerant — zumindest in gewissen Grenzen.

In den USA dürfte der Ostbahn-Kurti ja nicht einmal Präsident werden, bei uns Simmeringern darf er sich sogar als Aborigines, also als Eingeborener ausgeben.

Aber zurück zum Markt in Simmering. Der war wirklich schön. Damals, in den 50-er Jahren. In der Mitte stand ein Brunnen. Dort konnte man das Obst waschen, das man vorher bei den Standln gekauft hatte.

Oder Wasser trinken, weil man als Kind damals noch gelaufen ist, was das Zeug gehalten hat. Dann war man durstig und konnte erst weitermachen, wenn man ein paar Schluck Wasser intus hatte.

Die Stände waren teilweise in kleinen Häusern untergebracht, teilweise standen sie im Freien. Duftendes Obst, Salate, Bananen — ja, sogar in Simmering hatte man mehr als im damaligen Ostblock, wie auch hier alle sagten, obwohl das ein echter Arbeiterbezirk war. Und da könnte man denken, dass die Menschen hier zumindest ein bisschen eine Ahnung hätten haben können über den Unterschied zwischen Kapitalismus und Kommunismus.

War aber nicht der Fall. Die Sozialdemokraten, die sich damals noch Sozialisten nannten, hatten alle im Griff. Und noch schlimmer als die Pfaffen waren nur noch die Kommunisten. Kain und Abel in der Politik sozusagen. Beide schlugen so lange aufeinander ein, bis der Gegner siegte.

Naja, zurück zum Thema: dem Markt.
In Simmering.

Im Laufe der Jahre kamen immer mehr Waren auf den Markt. Von manchen kannte man nicht einmal den Namen. Aber die Verkäufer waren freundlich und erklärten einem alles.

Zumindest das, was sie selber wussten.

Meine Mutter ging von Stand zu Stand, verglich Preise und Qualität der Waren, entschied sich für schöne Bramburri, das sind Erdäpfel einer geschmackvollen Sorte. Dann ging’s weiter zum Fischhändler und dazwischen manchmal zum Ihaha. Der Ihaha war, wie der Name schon sagt, der Pferdefleischhauer und dort schmeckte die Leberkässemmel besonders gut.

Als ich voriges Jahr beim Simmeringer Markt vorbeifuhr, sah er erbärmlich aus. Einzelne kleine Häuser und der Brunnen fehlten bereits, die vorhandenen Gebäude waren offensichtlich außer Betrieb. Ein Bild des Jammers.

Und da habe ich mir gedacht: das mit den Märkten funktioniert nicht mehr.

Und heute haben wir eine Wirtschaftskrise, weil auch die anderen Märkte nicht funktionieren. Und die Experten haben von nichts gewusst. Dabei hätten sie bloß auf den Simmeringer Markt schauen müssen. Wie ich. Dann hätten sie das alles schon viel früher wissen können.

Der Simmeringer Markt ist nämlich kaputt gegangen, weil immer mehr Märkte entstanden sind. So genannte Supermärkte.
Dort war alles viel billiger und größer und mehr sowieso. Also Mehr mit h.

Und das alles mit immer weniger Arbeiterinnen und Arbeitern!

Und je mehr man kaufte, desto billiger wurde es! Geiz war geil und saufen und fressen und dicke Autos kaufen wirtschaftsfördernd.
Irgendwann in den 90-er Jahren hat mich mal ein Mädchen in der Schule gefragt, wie sich das denn ausgehen soll: immer mehr Wachstum. Eines Tages ist dann doch nichts mehr da!

Das ist eine gute Frage, habe ich gesagt. Und kein Experte wird dir darauf eine vernünftige Antwort geben. Wenn er nämlich zugeben würde, dass es sich nicht ausgehen kann, ist er kein Experte mehr. Verstehst du?

Da hat sie den Kopf geschüttelt.

Dabei sind damals die neuen Märkte erst so richtig gehypt, wie die Profis sagen:
der Rentenmarkt, der Immobilienmarkt, der Versicherungsmarkt, dann, als Höhepunkt:
der New-Technology-Markt!

Als der zerbröselte wie der Simmeringer Markt und die Yuppys ihre Maßanzüge auf den second-hand-Markt warfen, erfanden Phantasten in größter Verzweiflung die Hedge-Fonds, wo die Leute noch Geld gewinnen sollten, wenn die Aktienkurse sanken — und das haben die Leute geglaubt!

Weil Geiz nämlich nicht geil ist, sondern blöd macht!

Ein österreichischer Finanzminister redete den Leuten sogar ein, dass private Pensionen super sind, weil sie eine Verzinsung von mindestens sechs Prozent hätten. Auf dem Kapitalmarkt. Da sagten sogar die Experten, das sei falsch. Machte aber nichts, weil die Menschen es gern haben, wenn ihnen jemand was Tolles verspricht.

Jetzt haben sie weniger Pension und sind ein bisserl böse auf den ehemaligen Finanzminister. Nur ein bisserl, weil er so fesch ist. Und weil er geschickt war. Er hat wirklich mit fallenden Kursen Gewinn gemacht. Durch Provisionen bei einem Unternehmen, das mittlerweile von der Bildfläche verschwunden ist.

Na, es geht doch irgendwie.
Man darf sich eben nicht auf die Märkte verlassen, sondern auf die guten Freunde. Und dass man rechtzeitig welche hat, die genug Geld haben. Und es vor den anderen verstecken.

Im Meer bei Jersey zum Beispiel. Der beinahe steuerfreien Insel zwischen England und Frankreich.

Das ist ein völlig freier Markt!

Jeder kann dort ein Unternehmen gründen. Er braucht bloß ein paar Millionen Euro, schon ist er mit von der Partie, am freien Markt der Millionäre. So gesehen kann man auch sagen: der Markt funktioniert tadellos.

Für jene, denen die anderen wurscht sind. Um nicht zu sagen: Leberkäse.

Den meisten allerdings geht es wie den Simmeringer Marktstandln:
sie verschwinden von der Bildfläche.

Werden arbeitslos und bedürftig, wie das so schön heißt.

Man kann auch sagen: der Markt ist wunderbar für jene, denen der Rest der Menschheit egal ist. Eine Spielwiese der Rücksichtslosen.
Der Stärkere gewinnt.

Und der Simmeringer Markt mit seinen Bauern und Gärtnern ist verschwunden.

2 Gedanken zu „Wirtschaftskrise

  1. Kakanien

    Lieber Roger Rabbit!
    Danke für Deinen Kommentar – ich war ja lange nicht mehr in meinem Heimatbezirk und wusste bisher nichts vom „Neubau“. Tja, wirklich schade, dass es statt „Pferdeleberkäse“ und anderen Köstlichkeiten bald nur noch Hamburger gibt.
    Liebe Grüße an Dich
    – und Simmering
    Erich

  2. roger rabbit

    Guter Artikel!

    Ich wohne neben dem Simmeringer Markt, jetzt kommt ein Neubau hin (Musikschule, Bücherei..), Kosten ca. 16 Millionen Euro. Warum hat man mit nicht mit einem ähnlichen Budget eine Revitalisierung des Marktes unterstützt? Ich finde das so traurig, obwohl der Markt verfallen ist, hat er noch Flair. In zwei Jahren wird davon nichts mehr übrig sein, dafür werden noch mehr Leute beim Mc Donald´s um die Ecke frustessen.

    Lg

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