Standard? Nein danke!

Neulich das Angebot einer österreichischen rosa Zeitung bekommen, sie für vier Wochen kostenlos zu lesen. Sie heißt Standard und gehört angeblich der Süddeutschen Zeitung. Zumindest teilweise.Ob die in München wissen, was die hier in Österreich schreiben? Oder halten sie sich an Kurt Tucholsky, der schon im vorigen Jahrhundert wusste, dass die hier – gemeint ist Österreich – keine Zeitung schreiben können?

Habe dem Gratisangebot zugestimmt und bekomme nun täglich eine gehobene Tageszeitung, fast schon eine Qualitätszeitung. Gehoben ist relativ und im Angesicht der Kronen Zeitung nicht allzu schwer. Leider messen sich die Macherinnen und Macher nicht an ihrem Eigentümer sondern an der Kronen Zeitung, was den Inhalt anlangt. Bei der Form, also den Wörtern hinken sie der Massenzeitung hinterher.

Am 5. Juli 2008 war ein Text über die „üblen Folgen“ unverständlicher Sätze zu lesen, gleich neben der Kolumne „personal moves“. Nein, das ist kein englischsprachiger Teil der Zeitung, es gehört schlicht und einfach (easy and simple sozusagen) zum guten rosa Ton, denglisch zu sprechen.

Zurück zum Artikel über die unverständliche Sprache der Chefs. Die heißen im Text „Chief Executive Officer“, also CEO — es sind schlichte Geschäftsführer, aber warum einen Artikel zum Thema Verständlichkeit verständlich schreiben?

Genau. Schließlich fordern der Innsbrucker „Linguistiker Menz“ (Sprachforscher wäre schon wieder viel zu einfach für eine Qualitätszeitung) und der „Managementprofessor Stahl“ einen Kampf gegen „Worthülsen“.

A propos Hülsen: an welcher Universität ist der Mann Professor? Das stand leider nicht im Text, aber wir wollen nicht kleinlich sein — irgendwo ist er sicher Professor, schlimmstenfalls an einer österreichischen Mittelschule í  la AHS oder BHS, dort sind schließlich alle Lehrenden Professoren und —innen.

Aber jetzt auf in den Kampf gegen die Worthülsen! Am besten mit „Relevanzmanagement“. Damit könne man hervorragend „die Fehler des ballistischen Entscheidens eliminieren“. Denn durch ihre unverständliche Sprache berauben sich Manager laut Stahl & Menz „einer riesigen Chance mit einer sehr attraktiven Input-Output-Ratio“.

Wer hätte das gedacht?
Bisher hätten die Menschen „noch ein überwiegend Sender-zentriertes Kommunikationsmodell statt eines Empfänger-zentrierten“. Daher sollte man „Metaphern wohlüberlegt und konsistent verwenden und diese nicht an Hypes anlehnen.“ Schließlich ist es wichtig, Sprache als „Ressource zu betrachten“.

Gö, do schaugst, sagt der Bayer zu solch tiefsinniger Erkenntnis. Zusätzlich sind die beiden Forscher noch „interprofessionell“ einig, dass eine immer größere Beliebigkeit stattfindet. So entstehe ein „immer enger werdender Brei“.

Dem kann ich nach der Lektüre aufrichtig zustimmen, auch wenn ich beim Kochen noch nie einen enger werdenden Brei erlebt habe. Aber ich bin nur ein einfacher Mensch, der gerne der Aussage des Herrn Menz zustimmt:

„In der Ambiguität liege eine Chance, Neues entstehen zu lassen, geht er gegen die irrige Annahme aus, das Allheilmittel für jeden Fall sei spielraumlose Klarheit: Sprache ist auch vage, das ist auch eine Chance.“

Sage ich auch immer, wenn mich niemand verstehen soll. Und überhaupt, warum steht ein solcher Text in einer Zeitung statt im Mistkübel zu landen?

„Die beiden halten gemeinsam Vorlesungen und sind so etwas wie „early adaptors“ eines Trends in Österreich: Unternehmen beginnen sich in der Tiefe die Frage zu stellen, warum ihre Stakeholderkommunikation nach innen und nach außen oft nicht so klappt.“

Tja, in der Tiefe der Frage ist leicht versinken, vor allem wenn der Brei immer enger wird.

Und wenn Sie, liebe Leserin und lieber Leser, glauben es handle sich bei den Zitaten um Satire, dann kaufen Sie den Standard vom 5. Juli 2008.

Dabei habe ich die Ausgabe noch gar nicht fertig gelesen — es muss nicht immer Wirtschaft sein, auch der Kulturteil ist immer für furi- und kuriose Formulierungen gut.

Darüber ein andermal — natürlich können Sie auch selbst Beispiele schicken. Kakanien freut sich über immer mehr Konsistenz in der One-Way-Kommunikation der CEOs und alternative communities. Oder so.

[Alle grammatikalischen Fehler der unter Anführungszeichen zitierten Stellen © by standard]

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