IKEA ist schuld!

2016-06-19_kakanien_ikea

Mach’s dir selbst

Begonnen hat es 1951.

In diesem Jahr wurde der erste IKEA-Katalog gedruckt. Glücklicherweise nur in Schweden.

Aber in den 1970er Jahren kam das Unglück auch zu uns. Und heute haben wir als Ergebnis die Fitness 4.0!

Es begann ganz harmlos

Wer von uns etwas älteren Menschen erinnert sich nicht daran, wie begeistert wir über die Möbel aus Skandinavien waren! Schlichtes und helles Design statt der überladenen und gagabraunen Kästen (für Deutschland: Schränke) unserer heimischen Produktion.

Die Haltbarkeit mancher Modelle, zum Beispiel IVAR, war legendär, auch wenn IKEA laut Wikipedia mit dem ökologisch idiotischen Spruch „Benutze es und wirf es weg“ warb.
Mein IVAR-Regal versieht jedenfalls noch immer treue Dienste im Kellerraum.

Alles wunderbar, die Möbel haben nur einen Haken: Du musst sie selbst zusammenbauen.

[Der Versuch, dass alle Kunden und Verkäufer einander duzen sollten, scheiterte übrigens in Österreich grandios. Man fühlte wohl instinktiv, dass diese Verbrüderung bloß einem profitorientierten Zweck dienen sollte.]

 

Jeder ist seines Möbels Tischler

Wer damals glücklich nach Hause fuhr, um sein Regal, seinen Sessel oder sonstwas schnell zusammenzubauen, fühlte bald eine große Portion Zerstörungswut in sich aufkeimen. Die Anleitungen waren verwirrend und irgendwann fehlte mindestens eine Schraube.

Dann hieß es zurück ins Geschäft, die Schraube entgegennehmen und weiter bauen. Meistens war die Schraube allerdings nicht da, weswegen du ein paar Tage später wieder ins Einkaufszentrum fahren musstest.

Irgendwann stand das jeweilige Ding einigermaßen waagrecht und erfüllte die Erbauer – alleine schaffte man maximal den Lehnstuhl POEM – mit Stolz.

Und damit begann das Unglück: Die Übertragung diverser Arbeiten an Käufer und Konsumenten.

 

DOS schaffen wir!

Nachdem Ingvar Kamprad, der Gründer von IKEA, so erfolgreich war, erfand sein EDV-Epigone Bill Gates ein ähnliche Produkte: Er verkaufte mit kreativem Marketing eine Software namens MS-DOS, Microsoft Disc Operating System.

IBM verschlief den Verkaufserfolg – und Bill Gates wurde bald zum reichsten Mann der Welt.

Experten fanden das Programm nicht so toll, aber das half bekanntlich nichts gegen seine Verbreitung.

Und so wurde ich Ende der 1980er Jahre mit dem Computer konfrontiert. Ich sollte die Gegenstände Buchhaltung (später Rechnungswesen genannt) auf dem PC unterrichten, denn das war modern und ganz einfach.

Das Ministerium fand ein Seminar von 1,5 Tagen locker ausreichend – und schon war ich Experte für CRW, also computerunterstütztes Rechnungswesen.

Am ersten Seminartag fand ich bereits nach mehreren Minuten den PC-Einschaltknopf und war somit prädestiniert für den EDV-Unterricht.

Weil ich ein selbstkritischer Mensch bin und mich mit dem Finden eines Knopfes nicht ausreichend qualifiziert fand, leisteten wir – zwei Kolleginnen erlitten ein ähnliches Schicksal – uns einen privaten EDV-Kurs. Bezahlt haben wir unseren Lehrer aus der eigenen Tasche, schließlich musste der Staat schon damals Geld sparen.

Irgendwie erinnerte mich das an den Bau meines ersten IKEA-Schranks.

 

DOS macht mich fertig

Nachdem ich das Programm in Grundzügen verstanden hatte, produzierten Microsoft und viele andere Unternehmen ständig neue Programme, die alle Zeit sparten.

Allerdings nicht meine.

Es war Mode geworden, die Käufer gleichzeitig als Entdecker von Fehlern ins Boot zu holen.

Mit anderen Worten: Die Programme waren so ausgereift wie ein Auto ohne Bremsen. Irgendetwas ging immer schief. Die Käufer wurden zu rastlosen Programmentwicklern, indem sie Fehler an die Produzenten schickten und diese danach die Programme in immer neueren, immer „besseren“ Versionen auf den Markt gebracht, gegen geringen Aufpreis.

 

Alles wird gut?

Das dachten viele, als dank Windows 95 statt langer Textbefehle hübsche Bildchen angeklickt werden konnten.

Das Ministerium schickte seine Lehrerinnen und Lehrer, also auch mich, zu weitren Fortbildungskursen, die stolz akademische Lehrgänge genannt wurden.

Dort lernten wir neue Programme kennen, die schon wieder Zeit sparten.

Wir schrieben sogar kleine Programme, die etwa am Monitor eine Uhr darstellten. Das kam mir seltsam vor, denn ich trug damals noch eine Armbanduhr und verstand nicht, warum ich stundenlang eine am Bildschirm programmieren sollte, die fast so aussah wie meine am Handgelenk, nur hässlicher.

Eine falsch gestellte Frage, denn es ging – und geht – ja nicht darum, dass ich mir Zeit erspare, sondern dass wir alle uns mit etwas beschäftigen sollen, das anderen Zeit spart, den Gewinn erhöht und alle irgendwie beschäftigt.

 

Fitness 4.0

„Geiz ist geil“, Sparen super und Selbstverwirklichung die höchste Stufe menschlicher Grundbedürfnisse.

Wenn die westliche Industriewelt 4.0 nahezu ohne menschliche Arbeiter auskommt und Staaten nicht mehr wissen, wie sie etwa Spitäler finanzieren sollen, dann liegt es nahe, Menschen nicht nur für den Bau von Möbeln und Programmen, sondern auch für die Gesundheit verantwortlich zu machen.

Das gelingt mit „Digital-Health-Programmen“, die wir in Eigenverantwortung kaufen wie IKEA-Schachteln und die als Fitness 4.0 durch die Medien geistern.

Wir müssen nur unsere Daten in seltsame Armbänder eingeben und schon ist die Küche fertig, ich meine selbstverständlich: ewige Gesundheit da!

Puls, Blutdruck und tägliche Aktivitäten werden an Arbeitgeber und Sozialversicherung gemeldet und dort zur weiteren Beobachtung gespeichert.

Dazu kommen die Daten des Fahrverhaltens und der Einkäufe übers Internet und schon gibt’s Rabatte auf Versicherungen.

Alles in „Eigenverantwortung und Selbstbestimmung“, wie jene Konzerne, die mit diesen Daten Gewinne machen, gerne beteuern.

Und so holen wir Schachteln von IKEA, bauen Möbel zusammen, messen dabei unseren Puls, gehen nach draußen, weil unser Fitnessband piepst und schicken zwischendurch per Facebook ein paar Fotos vom Mittagessen an hunderte Freunde.

Währenddessen ersparen wir uns viel Zeit und sind ganz selbstbestimmt unterwegs!
Oder so ähnlich.

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