Ehrlich gesagt war ich skeptisch: Eine deutsche Komödie mit ein bisschen Tragödie? Und das alles soll auch noch gelungen sein?
Dazu ein Schauspieler, der sich in der Voranzeige falsche Zähne in den Mund steckt: Das erinnerte mich unangenehm an Klamauk – und nicht an Humor.
Nachdem etliche Freundinnen und Freunde, deren Urteil ich schätze, behaupteten, der Film sei sehenswert, besuchte ich am Sonntag Vormittag das schöne Leo-Kino Innsbruck. Dort haben sie nämlich die Tradition der Matinée zum Leben erweckt und zeigen sonntags um 11:00 Uhr Filme.
Das ist fein, denn nach dem Kinobesuch ist es draußen hell und der (Sonn)Tag liegt einem zu Füßen.
Jedenfalls gestehe ich nach ca. 180 Minuten Kinoaufenthalt inklusive Voranzeige und Werbung: Schon lange habe ich nicht so fröhlich – und zwischendurch auch traurig – Tränen vergossen wie in diesem Film.
Diese kuriose Geschichte zu erzählen, verbietet sich: Sie ist so realistisch wie absurd, so analytisch wie traumhaft, so perfekt wie unvollständig.
Ein Film eben. Und zwar einer, der gesehen, nicht erzählt oder gar in eine Kritik gegossen werden kann.
Deshalb nur Andeutungen:
Sandra Hüller spielt eine geschäftlich erfolgreiche Tochter, die sich mit ihrem gut bezahlen Beruf arrangiert hat. Mit sich selbst weniger, wie ihr Vater (Peter Simonischek) findet.
Da gerade sein Hund Willi gestorben ist, hat er Zeit für sein erwachsenes Kind und müht sich nach Kräften, seiner Tochter das (Berufs)Leben so schwer wie möglich zu machen.
Das gelingt ihm.
Beinahe.
Der Weg zum Erfolg – oder Scheitern – ist ein weiter, und ich habe die Beiden mit Vergnügen begleitet.
Etwa als die beiden einer rumänischen Familie eine Kostprobe ihrer musikalischen Erinnerung liefern und die Tochter singt, dass die Wände des Wohnzimmers wackeln.
Das ist schlicht grandios.
Und ich erinnerte mich plötzlich an die Szene aus „Der Mann der Friseuse“, als Jean Rochfort am Strand tanzte, nachdem seine Geliebte gestorben war. Warum ich daran dachte, weiß ich nicht genau. Wohl aber, dass beide Szenen mich berührten, wo und wie auch immer.
Ohne Vergleich mit anderen Szenen wird mir in Erinnerung bleiben, wie die Tochter/Managerin ihren Geburtstag feiert und ihren Mitarbeitern nackt die Tür öffnet.
Sie habe sich entschlossen, die mentale und emotionale Atmosphäre durch ein Nackt-Meeting zu verbessern.
Sandra Hüller hier nicht nur grandios (siehe oben), sondern auch hemmungslos.
[Und hüllenlos, der seichte Witz musste sein, er lag so rum.]
Jedenfalls muss man das gesehen haben, um in Zukunft Manager-Sprech, Start-Ups-Phantasien und Körper-Sprach-Seminare aus einer sachlichen Distanz zu verstehen.
Die Geschichte von Tochter und Vater wird hier übrigens als Gegensatz zwischen Hard-Core-Kapitalistin und Alternativ-Versager erzählt.
Wobei nicht ganz klar wird, wer von den beiden glücklich oder unglücklich ist:
Vater oder Tochter? Irgendwie fehlt beiden etwas.
Eine durchaus realistische Sicht der Gegenwart.
Mehr kann hier in gebotener Kürze nicht geschrieben werden, nur:
Wo immer dieser Film gezeigt wird – schaun Sie ihn an!
Und vergessen Sie nicht den Namen der Regisseurin: Maren Ade.
Sie hat auch noch das Drehbuch zu verantworten.
Ein großes Dankeschön an sie!
Und an alle Beteiligten.