Willkommen im Herbst!

Die Alpenrepublik

Der Sommer ist bald vorbei und wie immer war er eine Katastrophe! Mal war es zu heiß, mal hat es geregnet, mal war es zu kalt. Wir hatten stets einen Grund zu jammern. Was will man mehr?

Vielleicht noch Interviews mit diversen Politikern, die ihren wahren Beruf als Kabarettisten schwänzen und sich als tragische Clowns produzieren? Leider zeigt unsere Geschichte, dass auch Clowns Katastrophen produzieren, mit denen selbst das schlechteste Wetter nicht mithalten kann.

So stilisierte der Obmann einer Partei, die angeblich „für den kleinen Mann“ ist, eine rechtskräftig verurteilte Abgeordnete zu einer „gerichtlich anerkannten Islamismuskritikerin“ um. Die Dame wurde wegen „Verhetzung“ verurteilt und sitzt nach wie vor im Parlament, aber der Parteiführer hält das bloß für ein „Meinungsurteil“. Und Uwe Scheuch ist irgendwie auch unschuldig, weil er zwar einem russischen Millionär gegen Barzahlung die Staatsbürgerschaft versprochen hat („part of the game“), aber schließlich war für die Verleihung ein anderer zuständig, folglich ist Uwe Scheuch ein unschuldig Verfolgter.

Das versteht zwar weder der „kleine Mann“ noch die große Frau, aber alle sind verwirrt. Vielleicht ist das die große Idee, die hinter dem Wortgeschwafel steckt? Wenn sich niemand mehr auskennt, brauchen wir einen starken Menschen — am besten einen starken Mann — , der aufräumt wie Arnold Schwarzenegger. Am Ende sind wir bankrott wie Kalifornien und danach folgt der große Katzenjammer.

Am Anfang war das Wort

Es hat uns Menschen das Denken gelehrt und uns befreit von dem Glauben an außerirdische Mächte. Der Blitz wird nicht von Gott gesandt, sondern ist erklärbar. Die Vernunft sagt uns, dass Syphilis keine Strafe ist, sondern eine bakterielle Erkrankung. (Manche – bisweilen auch katholische – Kirchenvertreter sind anderer Meinung, aber sie widersprechen der Erkenntnis. Die war der Grund für die Vertreibung aus dem Paradies, das es höchstwahrscheinlich nie gegeben hat. Eine interessante Geschichte übrigens!)

Was liegt also näher als der Gedanke, das Wort zu diffamieren? Es so unverständlich zu machen, dass alle am Wort zweifeln? Dann können endlich jene zum Zug kommen, die wortlos zuschlagen, brüllen, töten. Und sich im Recht fühlen, wenn das Gesetz des Dschungels gilt: Der Stärkere siegt. Leider gibt es immer wieder einen noch Stärkeren, aber das leugnen die Starken. Bis sie besiegt am Boden liegen. Dann möchten sie gerne, dass ihr Gesetz außer Kraft tritt.

Mord beginnt beim bösen Wort

Wo aber ist der Beginn? Dort, wo ein Parteiführer den Tatbestand der Verhetzung als „Meinungsurteil“ bezeichnet? Dort, wo ein ehemaliger italienischer Ministerpräsident Staatsanwälte als „Rote“ diffamiert? Und haben die Schimpfwörter „Schwuler“, „Weichei“ oder „Gutmensch“ etwas damit zu tun? Was halten die anderen, die „Bösmenschen“ also, von diesem Verlust der Worte? Vielleicht bemerken sie ihn gar nicht.

In der Zwischenzeit wundert sich ja niemand, wenn erwachsene Männer und Frauen auf Kameras zulaufen und wild ihn diese hineinbrüllen. Was sie uns damit sagen wollen, bleibt weitgehend unklar, denn über allem steht: Olympische Spiele. Wimbledon. Champions League. Irak. Kandahar.

„We are the champions.“ Und der große Rest die „Loser“.

Wollen wir diese Vorstellung von der Welt? Oder doch lieber eine demokratische, die den Unterschied zwischen Reich und Arm allmählich auflöst? Eine friedliche Welt statt einer kriegerischen? Wo teilnehmen mehr zählt als siegen? (Olympisches Prinzip)

Es wird Zeit, dass wir dafür eintreten — wir sind übrigens die Mehrheit. Aber wenn die andauernd schweigt, wird sie irgendwann in der Minderheit sein.

"Das Köpferl in Sand" - Arik Brauer

Seien wir positiv!

Vor vielen Jahren forderte das ein Verleger von seinem Autor. Der hieß Kurt Tucholsky. Von seinem Ende schweige ich heute — aber zum Abschluss ein paar positive Sätze!

Wir sind in der glücklichen Lage, in einer demokratischen Gesellschaft zu leben. Worüber immer wir uns aufregen, wir können unsere Vertreterinnen und Vertreter abwählen. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Auch nicht, dass Wasser in unsere Badewannen fließt, auf Herden gekocht werden kann und kein Krieg herrscht. Von anderen Annehmlichkeiten wie Pensionsvorsorge, Auto, Fahrrad, Wohnung oder Einkauf von Südfrüchten im Supermarkt will ich gar nicht schreiben.

Diese Kultur sollten wir verteidigen. Die Mehrheit der Menschen würde gerne mit uns tauschen. Wenn wir nicht bereit sind, mit ihnen zu teilen, werden sie irgendwann aufhören zu warten. Das wird nicht lustig werden.

Ganz praktisch

Nein. Das ist keine Aufforderung zur Askese. Das ist bloß eine Aufforderung zum Denken. Wir können den Satz von Einstein widerlegen, der da lautete:

„Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.“

Viel Spaß beim Widersprechen,

schönen September wünscht euch
Erich

 

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