Wir sind so blöd!

Eine Hilfe zur Selbsthilfe

Als der österreichische Bankdirektor Andreas Treichl sagte, unsere Politiker sind „zu blöd und zu feig“, kam ich ins Grübeln. Ich gestehe, dass ich diesen Verdacht auch schon ein, maximal zwei Mal gehabt habe. Ich verwarf diesen Gedanken sofort. Schließlich wählen wir alle ja diese Politiker und das bedeutet im Umkehrschluss, dass WIR zu blöd und zu feig sind. Wenn das allerdings ein so genannter „Leistungsträger“ sagt, stimmt das den kleinen Mann – also mich – bedenklich.

Zu allem Unglück konfrontierte mich ein Student mit dem Film „Idiocracy“. Er zeigt eine Zukunftsvision für das Jahr 2505. In jener fernen Zeit herrschen, der Titel deutet es an, idiotische Politiker über ein idiotisches Volk. Die Sprache ist zu Grunzlauten verkommen, die Menschen stopfen ununterbrochen Popcorn und Hamburger in sich hinein, sitzen vor Monitoren und sehen verblödende Sendungen, deren Bilder umrahmt sind von Werbeeinblendungen.

Das Dumme daran ist, dass sie frappierende í„hnlichkeiten mit heutigen Programmen haben wie „Dancing Stars“, „Dschungelcamp“ und wie der Medienmüll sonst noch heißt. Der Film hatte nicht viel Utopisches zu bieten. Bloß der Präsident des Staates, ein Fleischkoloss mit Hang zum Popsänger, schien etwas unwirklich. Andererseits gab es bis vor kurzem einen kalifornischen Gouverneur, der í„hnlichkeiten mit dieser Figur aufwies. Ist der Film womöglich ein Dokumentarfilm?

Seither sehe ich überall Menschen, die irgendetwas in sich hinein stopfen und in seltsame Apparate brüllen, die von Event zu Event torkeln, seichten Gesängen lauschen und in Geschrei ausbrechen, wenn so genannte Promis über rote Teppiche schleichen. Welches Jahr haben wir? 2505?

Internationaler Währungsfonds
Der Vorsitzende — jetzt ist er nur mehr ein Ex — dieser Vereinigung, Strauss-Kahn, ist vor kurzem verhaftet worden. Er wird der Vergewaltigung eines Zimmermädchens verdächtigt. Eine sozialistische Abgeordnete meinte in dem Zusammenhang, dass sie es immer vermieden habe, mit Strauss-Kahn allein in einem Zimmer zu sein.

Dass er ein Verhältnis mit einer Untergebenen hatte, räumte der Mann, der unter dem Kürzel DSK (Dominique Strauss-Kahn) bekannt ist, bereits 2008 ein. Übrigens ist er auch verheiratet, aber Seitensprünge sind in der großen, weiten Welt der Politiker kein Problem. Auch in Österreich nicht, selbst wenn sie sich in der Öffentlichkeit als Hüter der Familie ausgeben.

Ist die „Negativauslese“ in der Politik, von der der österreichische Unternehmer Haselsteiner sprach, also längst ein internationales Problem? Und war Österreich mit KHG und Co die Avantgarde dieser Bewegung in Mitteleuropa? (Denn Italiens Berlusconi werden wir, bei allem Bemühen, kaum übertreffen können.)

Tröstlich stimmt die Nachricht, dass mehr als die Hälfte der Österreicherinnen und Österreicher findet, die Aussage von Andreas Treichl sei richtig. Jetzt brauchen wir nur noch Politiker, die gescheit sind und sich was trauen. Falls jemand eine solche Person kennt, bitte melden! Allerdings nicht bei den Parteizentralen, dort würde dieser Mensch sofort entmündigt werden. Oder auf einen politikfernen Posten abgeschoben.

 
Fern von Tirol
In der Welt draußen tut sich was! Nein, hier soll nicht von den arabischen Ländern gesprochen werden, in denen Menschen das wollen, was wir hier haben: Demokratie.

Sogar in naher Ferne gibt es solche Wünsche. In Bremen ist die Liste „Bürger in Wut“ in den Landtag eingezogen. Sie erhielt 3,7 Prozent der Stimmen, mehr als die FDP, die mit 3 Prozent den Einzug in den Landtag verpasste.

Die „Bürger in Wut“ sind eine Gemeinschaft mit merkwürdig konträren Zielen: etwa gegen Sozialismus und gegen Kapitalismus; für einen schlanken Staat und gegen die Herrschaft des Kapitals; gegen Einheitsschule und für ein leistungsgerechtes Bildungswesen — ein Sammelsurium vieler Ideen, die einander teilweise ausschließen. Immerhin melden sich Menschen abseits der Parteienmonokultur zu Wort.

Spannend ist, dass sich Bürgerinnen und Bürger zu wehren beginnen gegen ein System, das allmählich Demokratie durch ein Kollektiv von Wirtschaft und Parteifreunden ersetzt. Die Unterschiede zwischen den Parteien verschwinden und die Stehsätze der Politik — offensichtlich willkürlich vermischte Textbausteine aus einem Textverarbeitungsprogramm — klingen nach Kabarett.

Kein Wunder, dass in Island die „Beste Partei“ gewonnen hat. Sie wurde vom Komiker Jon Gnarr gegründet und erhielt einige Monate danach bei der Kommunalwahl in Reykjavik knapp 35 Prozent der Stimmen. Ob sein Slogan „das Parlament muss in zehn Jahren drogenfrei sein“ dazu beigetragen hat, weiß man nicht. In Österreich wäre das eine Herausforderung, zumindest, wenn man Alkohol als Droge bezeichnet.

Das ist über ein Jahr her und der neue Bürgermeister handelte sogleich: Er führte den „Guten Tag — Tag“ ein. Am 1. September jedes Jahres sollen die Menschen in Reykjavik besonders freundlich grüßen. Aber er verordnete auch weniger Lustiges: Die Strompreise wurden erhöht, die Zuschüsse zu den Musikschulen gestrichen — der Mann ist übrigens Musiker — , 60 Menschen im städtischen Energieunternehmen entlassen und die Steuern stiegen.

Politischer Selbstmord? Im März 2011 stellte sich in einer Umfrage heraus, dass Gnarr als „ehrenwertester Politiker des Landes“ gilt. Er liegt um 10 Prozentpunkte vor der Premierministerin. Seit seinem Versprechen, „nach der Wahl alle Versprechen zu brechen“, ist einige Zeit vergangen. Tatsächlich gibt es nach wie vor keinen Eisbären im Zoo von Island und keine Gratis-Handtücher in den städtischen Bädern.

Allerdings scheint seine Politik realitätsnäher als die der etablierten Parteien. Die wissen nun, zumindest in Island, dass Bürgerinnen und Bürger irgendwann sich darauf besinnen, dass Demokratie in erster Linie etwas mit ihnen zu tun hat. Und dass Politik sich nicht darin erschöpfen kann, für Banken Steuergeld locker zu machen.

Diese Erfahrung wird auch der „sozialistische“ Premier von Spanien machen müssen. Und irgendwann auch die große Koalition in diesem Land. Leider fehlt uns ein Komiker und Politiker wie Gnarr. Bei uns profitiert die FPÖ eines Herrn Strache vom Unvermögen der Regierungsparteien. Dem könnte ein unangenehmes Erwachen folgen.

Die Demokratie wurde uns in den Schoß gelegt. Wir müssen sie allerdings pflegen, sonst springt sie auf — und ist dahin.

Einen schönen Juni wünscht euch
Erich

 

Wir sind zu blöd!

Als der österreichische Bankdirektor Andreas Treichl sagte, unsere Politiker sind „zu blöd und zu feig“, kam ich ins Grübeln. Ich gestehe, dass ich diesen Verdacht auch schon ein, maximal zwei Mal gehabt habe. Ich verwarf diesen Gedanken sofort. Schließlich wählen wir alle ja diese Politiker und das bedeutet im Umkehrschluss, dass WIR zu blöd und zu feig sind. Wenn das allerdings ein so genannter „Leistungsträger“ sagt, stimmt das den kleinen Mann – also mich – bedenklich.

Zu allem Unglück konfrontierte mich ein Student mit dem Film „Idiocracy“. Er zeigt eine Zukunftsvision für das Jahr 2505. In jener fernen Zeit herrschen, der Titel deutet es an, idiotische Politiker über ein idiotisches Volk. Die Sprache ist zu Grunzlauten verkommen, die Menschen stopfen ununterbrochen Popcorn und Hamburger in sich hinein, sitzen vor Monitoren und sehen verblödende Sendungen, deren Bilder umrahmt sind von Werbeeinblendungen.

Das Dumme daran ist, dass sie frappierende í„hnlichkeiten mit heutigen Programmen haben wie „Dancing Stars“, „Dschungelcamp“ und wie der Medienmüll sonst noch heißt. Der Film hatte nicht viel Utopisches zu bieten. Bloß der Präsident des Staates, ein Fleischkoloss mit Hang zum Popsänger, schien etwas unwirklich. Andererseits gab es bis vor kurzem einen kalifornischen Gouverneur, der í„hnlichkeiten mit dieser Figur aufwies. Ist der Film womöglich ein Dokumentarfilm? Seither sehe ich überall Menschen, die irgendetwas in sich hinein stopfen und in seltsame Apparate brüllen, die von Event zu Event torkeln, seichten Gesängen lauschen und in Geschrei ausbrechen, wenn so genannte Promis über rote Teppiche schleichen. Welches Jahr haben wir? 2505?

Internationaler Währungsfonds

Der Vorsitzende — jetzt ist er nur mehr ein Ex — dieser Vereinigung, Strauss-Kahn, ist vor kurzem verhaftet worden. Er wird der Vergewaltigung eines Zimmermädchens verdächtigt. Eine sozialistische Abgeordnete meinte in dem Zusammenhang, dass sie es immer vermieden habe, mit Strauss-Kahn allein in einem Zimmer zu sein. Dass er ein Verhältnis mit einer Untergebenen hatte, räumte der Mann, der unter dem Kürzel DSK (Dominique Strauss-Kahn) bekannt ist, bereits 2008 ein. Übrigens ist er auch verheiratet, aber Seitensprünge sind in der großen, weiten Welt der Politiker kein Problem. Auch in Österreich nicht, selbst wenn sie sich in der Öffentlichkeit als Hüter der Familie ausgeben.

Ist die „Negativauslese“ in der Politik, von der der österreichische Unternehmer Haselsteiner sprach, also längst ein internationales Problem? Und war Österreich mit KHG und Co die Avantgarde dieser Bewegung in Mitteleuropa? (Denn Italiens Berlusconi werden wir, bei allem Bemühen, kaum übertreffen können.)

Tröstlich stimmt die Nachricht, dass mehr als die Hälfte der Österreicherinnen und Österreicher findet, die Aussage von Andreas Treichl sei richtig. Jetzt brauchen wir nur noch Politiker, die gescheit sind und sich was trauen. Falls jemand eine solche Person kennt, bitte melden! Allerdings nicht bei den Parteizentralen, dort würde dieser Mensch sofort entmündigt werden. Oder auf einen politikfernen Posten abgeschoben.

Fern von Tirol

In der Welt draußen tut sich was! Nein, hier soll nicht von den arabischen Ländern gesprochen werden, in denen Menschen das wollen, was wir hier haben: Demokratie.

Sogar in naher Ferne gibt es solche Wünsche. In Bremen ist die Liste „Bürger in Wut“ in den Landtag eingezogen. Sie erhielt 3,7 Prozent der Stimmen, mehr als die FDP, die mit 3 Prozent den Einzug in den Landtag verpasste.

Die „Bürger in Wut“ sind eine Gemeinschaft mit merkwürdig konträren Zielen: etwa gegen Sozialismus und gegen Kapitalismus; für einen schlanken Staat und gegen die Herrschaft des Kapitals; gegen Einheitsschule und für ein leistungsgerechtes Bildungswesen — ein Sammelsurium vieler Ideen, die einander teilweise ausschließen. Immerhin melden sich Menschen abseits der Parteienmonokultur zu Wort.

Spannend ist, dass sich Bürgerinnen und Bürger zu wehren beginnen gegen ein System, das allmählich Demokratie durch ein Kollektiv von Wirtschaft und Parteifreunden ersetzt. Die Unterschiede zwischen den Parteien verschwinden und die Stehsätze der Politik — offensichtlich willkürlich vermischte Textbausteine aus einem Textverarbeitungsprogramm — klingen nach Kabarett.

Kein Wunder, dass in Island die „Beste Partei“ gewonnen hat. Sie wurde vom Komiker Jon Gnarr gegründet und erhielt einige Monate danach bei der Kommunalwahl in Reykjavik knapp 35 Prozent der Stimmen. Ob sein Slogan „das Parlament muss in zehn Jahren drogenfrei sein“ dazu beigetragen hat, weiß man nicht. In Österreich wäre das eine Herausforderung, zumindest, wenn man Alkohol als Droge bezeichnet.

Das ist über ein Jahr her und der neue Bürgermeister handelte sogleich: Er führte den „Guten Tag — Tag“ ein. Am 1. September jedes Jahres sollen die Menschen in Reykjavik besonders freundlich grüßen. Aber er verordnete auch weniger Lustiges: Die Strompreise wurden erhöht, die Zuschüsse zu den Musikschulen gestrichen — der Mann ist übrigens Musiker — , 60 Menschen im städtischen Energieunternehmen entlassen und die Steuern stiegen.

Politischer Selbstmord? Im März 2011 stellte sich in einer Umfrage heraus, dass Gnarr als „ehrenwertester Politiker des Landes“ gilt. Er liegt um 10 Prozentpunkte vor der Premierministerin. Seit seinem Versprechen, „nach der Wahl alle Versprechen zu brechen“, ist einige Zeit vergangen. Tatsächlich gibt es nach wie vor keinen Eisbären im Zoo von Island und keine Gratis-Handtücher in den städtischen Bädern. Allerdings scheint seine Politik realitätsnäher als die der etablierten Parteien. Die wissen nun, zumindest in Island, dass Bürgerinnen und Bürger irgendwann sich darauf besinnen, dass Demokratie in erster Linie etwas mit ihnen zu tun hat. Und dass Politik sich nicht darin erschöpfen kann, für Banken Steuergeld locker zu machen.

Diese Erfahrung wird auch der „sozialistische“ Premier von Spanien machen müssen. Und irgendwann auch die große Koalition in diesem Land. Leider fehlt uns ein Komiker und Politiker wie Gnarr. Bei uns profitiert die FPÖ eines Herrn Strache vom Unvermögen der Regierungsparteien. Dem könnte ein unangenehmes Erwachen folgen. Die Demokratie wurde uns in den Schoß gelegt. Wir müssen sie allerdings pflegen, sonst springt sie auf — und ist dahin.

Einen schönen Juni wünscht euch
Erich

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